Wenn Steine reden könnten…

Liebe Wittenberger Festgäste am heutigen 100-jährigen Kirchweihjubiläum (16. Dezember 2021)

Euer Pastor Helmut Paul hat mir „etwas über Steine“ aufgegeben. Darum das Thema: „Wenn Steine reden könnten…” Wenn sie es könnten, hätten sie uns viel zu sagen – gerade hier auf dem Wittenberger Kirchplatz. Weil sie es aber nicht können, bleibt uns nichts anderes übrig als unsere Erinnerungen zu teilen und in Worte zu fassen, was uns die Alten sungen und was der frommen Väterschar uns erzählte, überlieferte und bezeugte.

Es liegen hier viele Steine auf dem Kirchhof. Viele wurden erst in den letzten zwanzig Jahren hinzugefügt wie die vielen Pflastersteine, die den Platz zwischen Kirche und Halle heute gleichmäßig bedecken. Ich behalte, wie alles Grasfläche war – und davor gabs sogar noch eine kl. Einzäunung mit Pforten, um den Zugang zum Kirchplatz zu ermöglichen.

Bei der Schule liegen große Findlinge aufgestapelt. Renate und Uwe Conrad haben deren Bedeutung in der Wittenberger Chronik (1992 S. 174) erklärt. Es sind die alten Steine von Bergen, wo unsere Gemeinde in 1892 gegründet wurde. Steine von der Kirche, vom Pfarrhaus und von der Schule. Sandra Paul hat das gemalt (Ebd. S.184)

Unter der alten Kapelle und Kirchhalle (heute Jugendzentrum) liegen Feldsteine vom Hügel auf der Südostseite der Kirche – hinter der Schule. Auf dem Friedhof sind Grabsteine, die seit 1902 jeder ein mehr oder weniger langes Lebenslied anstimmen können auch wenn sie nur sehr spärlich die Eckdaten des betroffenen Lebens angeben – wie z.B. „Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth“ (Luka 22,56) auf dem Grab von Pastor und Missionar Christoph Johannes.

Oder auch die vielen gebrannten und vermauerten Ziegelsteine, die in leuchtendem Rot der hiesigen Erde das Bild unserer Kirche prägen.

Es gibt aber auch Sorgensteine, die unsere Gemeinde geprägt haben. Kleine, die stören, plagen und verletzen wie der kl. Stein im Laufschuh, der nicht schnell genug rausgeholt wird, sondern sein Störfaktor länger ausüben kann.

Große, wie der, der Gerhard Schnackenberg damals beim Jugendausflug auf den Weißen Berg überrascht, überrollt und zerquetscht hat.

Das sind solche Steine, von denen Paul Gerhardt singen lehrt: „Quält Dich ein großer Sorgenstein, Dein Jesus wird ihn heben… es kann ein Christ bei Kreuzespein in Freud und Wonne leben. Wirf Dein Anliegen auf den Herrn und sorge nicht, Er ist nicht fern, weil er ist auferstanden.“

Natürlich sollten wir auch an solchen Festtagen auch die nicht vergessen, die als lebendige Steine in den Bau der einen heiligen christlichen Kirche eingebaut und festgefügt wurden schon längst in ihrer Heiligen Taufe, wo der Herr IX selber sie aus dem Reich des Todes in das seines himmlischen Vaters herübergeholt und dort in seinen hl. Leib, die Kirche, als lebendige Glieder eingefügt.

Er das Haupt, wir seine Glieder. Er der Eckstein, der alles trägt und hält und ineinanderfügt und miteinander verbindet durch seinen Geist und Gaben, mit seinem Wort und Sakrament – der Gemeinschaft der Heiligen an den Heiligen Dingen (communio Sanctorum).

Es ist die Kirche, in der Gott sei Dank gilt: „die Vergebung der Sünden, die Auferstehung von den Toten und ein ewiges Leben.“ Und sie wird ewig bleiben – dank seiner Güte und Allmacht! – genauso wie sein Wort bleibt in Ewigkeit (Verbum Dei manet in aeterna) und wir es am Antipendium an der Kanzel heute ablesen konnten.

Wenn jemand hundert Jahre alt wird, ist das beachtlich. Das gilt auch für eine christliche Gemeinde und Kirche. Es ist keineswegs selbstverständlich. Das wissen die Wittenberger, deren erste Kirche bereits nach kurzer Zeit – nicht mal ein Jahrzehnt war vergangen – im Burenkrieg (1899-1902) von den Engländern niedergebrannt wurde – mitsamt Pfarrhaus und Schule.

Unsere Kirche im Jahr 1921 fertiggestellt und eingeweiht, durfte bestehen bleiben, erweitert werden und wachsen und zunehmen – mit Ablegern in Panbult, Piet Retief, Salem, Mahamba, Itshelejuba, Vryheid und Pongola – um nur einige zu nennen. Einige wie Salem sehen der Mutterkirche zum Verwechseln ähnlich. Und trugen viel Frucht, einige vierzigfältig, andere sechzigfältig und andere sogar hundertfältig.

Ich habe in meiner Zeit keinen 100-jährigen Geburtstag in Wittenberg gefeiert – außer Weihnachten natürlich. Als ich hier 1992 ordiniert und eingeführt wurde, war die Kirche gerade siebzig Jahre alt und die Gemeinde gute neunzig. Das wurde mit der besagten Chronik gefeiert, die Hauptlehrer Oswald Paul initiiert hat und in meiner Pfarramtszeit zustande kam. Inzwischen ist diese so schöne von vielen geliebte und heute herrlich gefeierte Wittenberger Kirche am vergangenen Donnerstag hundert Jahre alt geworden: „Sie ist mir lieb, die werte Magd und kann ihrer nicht vergessen…“ (Martin Luther 1535)

In meiner Familie werden am Geburtstag die Psalmen 103 und 23 gebetet. Den ersten Psalm kennen wir alle aus dem Beichtgottesdienst, der hier sonntäglich stattfindet: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was Er Dir Gutes getan hat…“ Das ruft all das Gute in Erinnerung, was der Herr auch hier in dieser Kirche und durch sie an uns gewendet hat und seine süße Wundertat, gar teuer hat Er es erworben – Jahr ein Jahr aus, jahrzehntelang, ja bereits ein Jahrhundert lang. Da kommt viel Gutes Zusammen. Das können die Steine hier bezeugen, Steine, die über Jahre, Jahrzehnte und ein ganzes Jahrhundert lang gesammelt, gestapelt, aufgestellt, aufgebaut und eingefügt wurden.

1914 wurden Kirchbaupläne gemacht, aber wegen des Kriegsbeginns kamen sie vorerst nicht zur Ausführung. Der neugotische Stil ist bekannt von der Großen Kreuzkirche in Hermannsburg oder St.Lorenz (Frankenmuth, Michigan). Wenn das neue Vorbild der lutherischen Frauenkirche in Dresden von Georg Bähr (1726-143) sich durchgesetzt hätte, sähe die Kirche anders aus.

14 von 23 von den Familien waren dafür (60%). Der Kostenvoranschlag in 1914 betrug 1, 500 Pfund. In 1921 waren die Unkosten bis 4, 000 Pfund explodiert – trotz erheblicher Eigenleistung. Der Architekt P. Thomson arbeitete eng mit Missionssuperintendent Johannnes und Kirchenvorsteher Böhmer zusammen. Trotz Rinderpest und anderer Herausforderungen ging das Werk voran und wurde 1921 vorerst fertiggestellt. 1937 kam dann der Südflügel dazu. 1967 der Nordflügel und die Sakristei hinter dem Altarraum.

Viele Gemeindeglieder haben Hand angelegt und dieses Gotteshaus gebaut. Vom Steine brennen bis zum Turmaufsatz und der handgefertigten Rosette am Turm. Bleifenster wurden von der Jugend gestiftet und aus den USA bestellt. Sie wurden für 260 Pfund erworben, per Schiff verfrachtet und dann bis Moolman mit der Bahn abgeliefert und von dort mit Ochsenkarren abgeholt. Das Taufbecken und die vasa sacra wurden ebenfalls von der Jugend geschenkt. Der Wechselbildaltar wurde von der Firma Klasen in Molzen durch den südafrikanischen Gesellen Georg Hillermann angefertigt und dann auch auf dem Seeweg usw bis Wittenberg transportiert. Heidi Weber ne Filter hat zwei zusätzliche Bilder gemalt zu Weihnachten mit der heiligen Familie und für die Passionszeit mit dem leidenden Gottesknecht am Kreuz. Die Glocke war 1910 aus Kaiserslautern bestellt und in Betrieb genommen worden. 1921 wurde sie in den neuen Glockenturm umgehängt. Psalm 117 bleibt ihr Ehrenkranz.

Wenn wir jetzt überlegen, was der Herr Gutes getan hat (Psalm 103) in dieser unserer Kirche, dann ist es sicher nicht verkehrt, wenn wir uns in ihren Mittelpunkt – vorne am Altar – platzieren, wo Pastor Helmut Paul heute morgen der Gemeinde in gewohnter Weise gegenübertrat.

Hier, wo zwei oder drei in Jesu Namen versammelt sind, ist der gute Hirte mitten unter uns. Hier seine Hütte und sein Platz bei den Menschen. Er, der lebendige Herr und auferstandene Heiland ruft uns siegreich von jenseits seines Grabes zu: „Ich lebe und Ihr sollt auch leben!” Und weiter: “Siehe, ich war tot und siehe ich lebe und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes. Darum fürchtet Euch nicht. Friede sei mit Euch.”

Dort am Taufstein macht er sich den Täufling zu eigen. Eröffnet ihm Leben und Seligkeit. Schafft Neues aus dem Nichts und vergibt Sünden, schenkt Leben und Seligkeit indem er den Täufling mit sich in seinen Tod begräbt und herausholt – ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Heiligkeit vor Gott ewig leben soll (vgl. Röm.6) Es wird gesät verweslich, aber wird auferstehen unverweslich. Und die Gemeinde singt beglückt und reichlich beschenkt: „Lasset mich voll Freuden sprechen: Ich bin ein getaufter Christ, der bei menschlichen Gebrechen, dennoch ein Kind Gottes ist…“

Auf der Beichtbank hört der reumütige Sünder, der müde ist und beladen von Sünde, Welt und vielem Bösen das heilige Evangelium wie Ihm durch den Beichtiger zugesprochen wird: „Dir sind Deine Sünden vergeben. Gehe hin in Frieden!“ Aber auch das andere: „Der Gott des Friedens heilige Euch durch und durch und Euer Geist samt Seele und Leib möge bewahrt werden unversehrt und unsträflich bis dass Er kommt. Getreu ist Er, der Euch ruft, Er wird es auch tun.“ Da singt die Gemeinde dann befreit und geheiligt: „Jesus nimmt die Sünder an… mich hat er auch angenommen!“

Am Altar kniend schmeckt der begnadete Sünder immer wieder wie freundlich und gnädig der leibhaftig gegenwärtige Herr ist, wenn dieser ihm Seinen Leib und Blut mit dem Mund essen und trinken läßt – als impago/padkos (Christoph Johannes): „Für Dich gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden… Das stärke und behalte Dich zum ewigen Leben durch IX unseren Herrn.“ Darum singt die Gemeinde getrost und zuversichtlich: „Ich leb indes in dir vergnüget und sterb ohn alle Kümmernis. Mir g’nüget, wie mein Gott es füget; ich glaub und bin es ganz gewiss: Mein Gott, mein Gott, aus Gnad durch Christi Blut machst du’s mit meinem Ende gut.“

Hier am Altar wird ihr Bitten und Klage vor Gott laut. Er hört ihr Loben und Danken, ihre Fürbitten und Bittgesängen: Litanei, Te Deum, Agnus Die, Magnificat, Nunc dimittis, Gloria und Kyrie… Die große Doxologie und das große Halleluja auch. Hier lernen die Kinder im Unterricht in das Singen, Beten, Bekennen und Danken der Gemeinde einzustimmen. Davon geprägt singen die Alten auch noch im Altenheim wie Malchen Böhmer und Hilda Martin damals in Piet Retief, aber auch die vielen anderen Zuhause und wo wir sonst noch auf dem Weg zur ewigen Heimat sind.

Weihnachten leuchtet am Altar die Krippe mit Maria und dem kl. Kind in der Krippe in dunkel rot-braunen Tönen gemalt von Heidi Weber geborene Filter und die Gemeinde singt bewegt: „Ich steh an Deiner Krippe hier o Jesus Du mein Leben!“

In der Passionszeit steht dann das dunkle Kreuz mit dem Gekreuzigten vor der Gemeinde dort im Altar und die Gemeinde singt betroffen: „Ich will hier bei Dir stehen, verachte mich doch nicht. Von Dir will ich nicht gehen, wenn Dir Dein Herze bricht, wenn Dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß alsdann will ich Dich fassen in meinem Arm und Schoß!“ Sie weiß, das tat ER für mich + Da bist Du selig worden +

Am Ostermorgen, wenn das erste Bild im Altar wieder in hellem rosa, weiß und herrlich erstrahlt singt die Gemeinde dann erlöst: „Das ist mir anzuschauen ein rechtes Freudenspiel; nun soll mir nicht mehr grauen vor allem, was mir will entnehmen meinen Mut zusamt dem edlen Gut, so mir durch IX aus Lieb erworben ist.“ (Paul Gerhardt 1647)

Von der Kanzel hören sie Sonntag für Sonntag aus der Fülle des Wortes Gottes von seiner süßen Wundertat, die Er so teuer für uns und um unserer Seligkeit willen durchgesetzt hat. Da hören sie von dem Grund, der allein in IX gelegt ist (1.Kor.3,11), vom Eckstein, in dem alle Verheißungen Gottes ihr Ja und Amen finden, vom Stein, der von den Weisen und Großen dieser Welt verworfen wurde, aber von Gott zum Eckstein bestimmt wurde.

Unser Herr und Heiland ruft uns zu: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Manne, der sein Haus auf Fels baute…(Mt.7) Selig ist, wer sich nicht an Ihm ärgert. Darum ist es auch angemessen, keinen von diesen Kleinsten zu ärgern. Sonst wäre es besser dass dem entgegen handelnden ein Mühlstein um den Hals gehängt und man ihn im Meer wo es am tiefsten ist, ersäufen würde. Richtet aber nicht, denn nur wer selbst ohne Sünde ist, darf hier Steine werfen. Vorsicht – wir leben alle in Glashäusern. Wir vergessen zu leicht, dass schon immer drei Finger auf uns selber zeigen, wenn wir auf den anderen einen Finger zeigen.

Wir als Menschen stehen aber alle in Gefahr „uns einen Namen machen zu wollen…“ (Turmbau zu Babel). Wie oft sind wir von Prachtbauten geblendet wie damals die Jünger in Jerusalem und der Herr sie auf den Grund der Tatsachen zurückbringen mußte: „Nicht ein Stein wird hier auf dem anderen bleiben…“

Ich war schon oft versucht mich an den Bauten dieser Welt zu verlieren: St. Peter’s in Rom, St. Paul’s in London, der Kölner Dom. Doch es gilt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber Gottes Wort bleibt in Ewigkeit.“ (Verbum Dei manet in aeternum“ (VDMA).

Darum Land, Land höre des Herren Wort… etliches fiel auf den Weg, anderes unter die Dornen, anderes auf den Fels, aber einiges brachte viel Frucht 40, 60 und hundertfältig.

Gottes Wort in Gesetz und Evangelium… rein und lauter. Gottes Wort als Hammer, der Felsen zerschlägt, schöpferisch aus Nichts alles machen kann. So Er spricht, so geschieht es. Er schafft, was Er will zu Seiner Zeit und auf Seine Weise. Er sitzt im Regiment und führet alles wohl. So schafft Er sich auch immer wieder eine Kirch auf Erden: „Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren, der Seiner Menschen Jammer wehrt und sammelt draus zu Seinen Ehren sich eine ewge Kirch auf Erd, die Er von Anfang schön erbauet als seine auserwählte Stadt, die allezeit auf Ihn vertrauet und tröst sich solcher großen Gnad“ (Petrus Herbert 1566)

Uns ist das der große Trost auf Erden, dass der Herr die Seinen nicht läßt, sondern tut was Ihm gefällt und ihnen zum ewigen Leben in der Seligkeit mit Ihm dient und förderlich ist. Er schenkt, erhält und bewahrt uns im rechten, einigen und seligmachenden Glauben durch sein hl. Evangelium von dem wir singend bekennen und von Ihm erbitten: „Herr, Dein Wort die edle Gabe, diesen Schatz erhalte mir, den ich zieh es aller Habe und dem größten Reichtum für. Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhen. Mir ist nichts um tausend Welten, aber um Dein Wort zu tun.“ (Nikolaus Graf von Zinzendorf 1725)

Das ist kein plötzlicher Einfall, sondern lebenslanger Prozess, wie der Reformator Dr. Martin Luther in seinem Testament festhält. Wer Bauer sein will, muss fünf bis zehn Jahr mit Vergil die Schafe und Rinder hüten. Wer erfolgreich Politik treiben will, soll mit Cicero zehn bis zwanzig Jahre das Gemeinwohl regieren. Wer aber Gottes Wort recht verstehen und begreifen will, muss mindestens hundert Jahre mit den Aposteln und Propheten der Kirche als Pastor und Bischof dienen und dann schlußendlich mit dem Reformator bekennen: Wir sind Bettler, das ist wahr.

So steht die hundertjährige Kirche hier in Wittenberg als Zeugin da, dass wir Gottes Wort und Sakrament reichlich empfangen haben – hundert Jahre lang durch ihre treuen Amtsträger, Kirchenvorsteher und Gehilfen und der ganzen Gemeinde.

Dabei ist es allein Gottes Güte und Gnade zu verdanken, dass wir nicht gar aus sind, sondern noch heute gar fröhlich loben und danken für alle Seine Güte, die wir von Seiner großen väterlichen Treue völlig unverdient und allein aus Gnaden empfangen haben. Ja, so wie es der großen Heidenmissionar und Apostel St. Paulus ins Bewusstsein ruft: „Freuet Euch! Und abermals sage ich Euch freuet Euch. Der Herr ist nahe! Laßt Eure Lindigkeit allen kundwerden – am meisten aber den Glaubensgenossen.

Wittenberg kennt Gastfreundschaft. Mein Schwiegervater hat in den Jahren seines Dienstes hier wiederholt festgestellt: „Sie nehmen uns auf wie den Apostel Paulus!“ Das ist ja keine neue Sache. Schon der Vikar Georg Schulz hat damals von Eurer Gastfreundschaftlichkeit geschwärmt. Auch seine Frau Elisabeth geborene Harms hat in T. Olly Schnackenberg eine liebe „Stiefmutter“ bekommen.

Als ich heute von der Kirche zur Halle gehe, ruft mir Eure Pastorenfrau Gisela Paul zu: Sage Angelika, sie hatte recht. Damals wollte ich nicht nach Wittenberg, aber sie hat mir zugesichert, es kommt die Zeit, dann wirst Du hier nicht wieder weg wollen, weil es so schön ist und die Leute so lieb. Es ist so gekommen.” Und das hat in Wittenberg lange Tradition.

Wittenberg hat aber nicht nur an sich selbst gedacht beim Kirchweihfest, sondern hat schon damals in 1921 am Tag nach der Kirchweih Missionsfest gefeiert. In hundert Jahren habt Ihr nicht nur Eure Kirche ausgebaut und schön ausgebreitet, sondern eben auch Ableger gelegt, Kirchen gepflanzt und Kirchen außerhalb gegründet und unterstützt: Salem, Panbult, Piet Retief, Pongola, Itshelejuba, Mahamba, Mabola, KwaWeber und wie sie alle heißen.

Viele Pastoren und Missionare stammen aus dieser Gemeinde. Ihr habt viele Pastoren großgezogen und immer treu und fleißig – und wenn sie weltweit ausgezogen sind wie Gerald Paul, der heute lutherischer Lehrer auf den West Indischen Inseln ist, dann habt ihr sie weiter begleitet und unterstützt.

Dabei möchte ich besonders die Dekane der LCSA hervorheben – Isaachar Dube (Eben Ezer) und Aaron Ntuli (Pella), die aus dieser Gegend stammen und sich auch noch bis ins Alter daran erinnerten, dass sie hier in der Kirche ihre Anfänge hatten.

Heute lehrt Mbongeni Nkambule am Seminar in Pretoria zusammen mit Heinz Hiestermann. Beide stammen von Bakenkop bzw Sandbank. Die alten Meulkes haben fleißig mitgebetet, gefördert – genauso wie T.Therese Niebuhr und ihr Mann Friedrich Niebuhr das auf Anhalt getan haben.

Pastor Bheki Ngobese von Salem ist heute als einer der ganz wenigen Gäste von außerhalb. Schön, das Ihr das möglich gemacht habt. Ihr wart schließlich auch die erste FELSiSA Gemeinde, die den neu gewählten Bischof der LCSA Dr. David Tswaedi als Gastprediger zum Missionsfest aufgenommen habt.

Wie die Alten so wißt auch ihr es genau, daß Kirche und Mission zusammengehören. Es ist der eine Herr der Kirche, der hier am 16. Dezember 1921 Einzug gehalten hat und der damals schon zugesichert hat: „Fürchtet Euch nicht. Siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende!“

Er ist es aber auch, der fortfährt: „Darum geht hin in alle Welt. Machet zu Jüngern alle Völker. Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl.Geistes. Ja, lehrtet sie halten alles, was ich Euch befohlen habe.“

Darum wurde damals einen Tag nach dem Kirchweihfest gleich am 17. Dezember 1921 Missionsfest gehalten. Schöner kann ich es mir gar nicht vorstellen. Ja, Dr. Gustav Niebuhr hat viel davon geredet, was alles besser und schöner werden soll – mit den Sitzkissen und Büchern und so weiter – aber eins ist klar, der wahre Glaube, die echte Liebe und ewige Hoffnung sind Wittenbergern niemals fremd gewesen. Im Gegenteil, sie haben davon ein volles und gerütteltes Maß von ihrem Herrn und Heiland empfangen und immer auch eine große Portion davon für ihre Mitmenschen übrig.

Als ich damals in der Pretoria Jugend überzeugt war, schon fast im christlichen Paradies zu sein, da hat meine liebe Cousine Margrit Albers ne Niebuhr zu mir gesagt: „Pretoria ist schön, aber Wittenberg ist noch tausendmal schöner!“ Ich kannte die Wittenberger nur als die großen, starken Männer, die am Jugendtag das Tauziehen gewannen: Alfi und Ehrenfried Niebuhr, Sixy und Tom Böhmer, Laban Meyer oder Karl und Johann Weber heute. Nun, wir Pretorianer haben sie damals in den frühen 80 Jahren weggezogen, aber das nur nebenbei. Ich bin dankbar, dass ich die Wittenberger persönlich kennenlernen durfte. Hier hat meine Familie ein Zuhause gefunden – und nicht nur ein geistliches zu dem ich heut zurückkehren durfte mit großer Dankbarkeit und Freude. Ich habe hier viele liebe Menschen, lebendige Steine im Bau Gottes – der hl. Christlichen Kirche – lieben und schätzen gelernt. Und ich bin dankbar für die Gelegenheit heute mit Euch unseren lieben Gott, unseren Schöpfer und Erlöser zu loben und zu preisen für all das Gute, dass Er an uns gewendet hat und seine süße Wundertat, gar teuer hat er’s erworben. Bitte seht es mir nach, was ich verschuldet, versäumt und verbrochen habe. Gerne würde ich es wieder gut machen. Ich befehle Euch und alles, was Ihr seid und habt als Wittenberger der väterlichen Treue unseres himmlischen Vaters an. Er gebe Euch den Frieden der höher ist als alle Vernunft und bringe Euch dahin, wo Ihr auch seht, was Ihr schon hier auf Grund seiner Verheißung geglaubt habt.

Wir Webers beten ja am Geburtstag zum 103. Psalm auch den 23. Dort heißt es und das trifft auch für uns als Wittenberger zu: „Er schenket mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

Ja, wenn man am Altar dieser Kirche steht und den aaronitischen Segen spendet, geht der Blick auf den Gottes Acker da draußen im Westen der Kirche, wo gesät wird verweslich, aber auferstanden unverweslich. Meine erste Aussegnung war von O. Reinhold Hiestermann. Sein Bruder war alt als ich mich damals verabschiedete und sagte, er habe nur noch einen Umzug vor und zwar in die kl. Box – der Sarg. Wir wissen, es wird nur noch besser, denn unser Herr ist uns bereits voran gegangen und hat uns unsere Stätte bereitet in der ewigen Stadt Gottes, die aus den prächtigsten Steinen gemacht ist und wo Er, das Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt, der heilige Mittel-, Angel- und Fixpunkt ist von dem alles getragen, gehalten, gefestigt und verbunden ist und bleibt. (Lese Offenbarung 21, 10ff).

Es gilt: „Es ist besser Torhüter am Hause Gottes zu sein als zu wohnen in der Gottlosen Hütten.“ Wie gut, dass wir, die wir hier keine bleibende Statt haben, wissen unsere Heimat ist im Himmel. Dahin ist unser Sinn gerichtet – zu unserem Herrn und Heiland Jesus Christus, Er das Haupt, wir seine Glieder.

Darum beten wir zum Schluß: „Allmächtiger Herre Gott, wir bitten Dich, gib Deiner Gemeinde Deinen Geist und göttliche Weisheit, daß Dein Wort unter uns laufe und wachse und mit aller Freudigkeit, wie sich’s gebührt, gepredigt und Deine heilige christliche Gemeinde dadurch gebessert werde, auf daß wir mit beständigem Glauben Dir dienen und im Bekenntnis Deines Namens bis an unser Ende verharren. Durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn. Amen. (LKG 35) und wie mein Schwiegervater immer nach der Christenlehre gebetet hat: „Erhalte uns Herr im rechten Glauben noch fernerhin bis an das End und laß uns nicht die Schätze rauben, Dein heilig Wort und Sakrament.“ (Friedrich Konrad Hiller 1711)

 

About Wilhelm Weber

Pastor at the Old Latin School in the Lutherstadt Wittenberg
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