Es weihnachtet sehr und das Jahr 2020 als annus horribilis liegt Gott sei Dank gesund überstanden hinter uns. Das neue Kirchenjahr ist gut im Schuss und mit ihm die Hoffnung, dass es im nächsten Jahr viel besser wird. Schließlich dürfen wir ja um Gottes willen immer mit dem Schönsten, Besten und Allerliebsten rechnen. Der 4. Advent war gestern und es ist an der Zeit den Weihnachtsbaum in die gute Stube zu bringen. Angelika hat schulfrei und unsere beiden Ältesten sind im „home office“, während Detlev inzwischen eine Wohnung am Stadtrand von Seattle – im winterlichen Schneewald! – bezogen hat und Matzi Zuhause die Stellung hält. Seit der letzten Passionszeit bin ich offiziell in Kurzarbeit und somit in Dauerquarantäne. Da bringt der Postman dankenswerterweise Abwechslung, genau wie die fast täglichen Ausflüge ins Jagdrevier jenseits der Elbe und diesseits von Seegrehna. Angelika geht gerne am nördlichen Elbufer entlang, um vom stressigen Schulalltag Abstand zu gewinnen. Wie Alteingesessene gucken wir halt täglich, ob die Elbe noch fließt… Bisher hat sie uns nie enttäuscht.
Arbeitsmäßig gibt’s kaum Neues zu melden. Das Jahr war für die Alte Lateinschule geprägt von Stornierungen, Absagen und Vertröstungen aufs nächste Jahr. Wie gut, dass wir in der Kapelle wenigstens sonntägliche Abendmahlsgottesdienste feiern dürfen. Das ist der Segen der kl. Schar. Aus unserem Kreis ist bisher keiner erkrankt, obwohl die Lutherstadt Wittenberg inzwischen zum „Hotspot“ in Sachsen-Anhalt mutiert. In den monatlichen Rundbriefen, die ich fürs Haus schreibe, bleiben außer Durchhalteparolen nur dringliche Bitten um Unterstützung dieser missionarischen Außenstation übrig, denn Rechnungen müssen weiterhin bezahlt werden, Staub muß bekämpft, Dreck ausgefegt und abgewaschen werden ebenso wie briefliche Anfragen zeitnahe Reaktionen erwarten. So ähnlich klingt dann auch unser jährlicher Spendenaufruf in den USA. Frau Kleeblatt hat ihren Sprachkurs für Ausländer im Kapellenvorraum erfolgreich abgeschlossen. Leider ist es bisher mit dem geplanten Studenten-austausch mit missourischen Concordias nichts geworden. Die Pandemie hat uns auch da voll ausgebremst. Ob es nächstes Jahr im September mit dem anvisierten Bachelor in Theologie anders wird, steht noch in den Sternen. Gott weiß es. Für junge Leute wie Fr.Kleeblatt, die auf unserer Seite für solche akademische Fortbildung als Fachkräfte in Frage kämen, ist die pandemische Verunsicherung deutlich. In der Zwischenzeit wechselt sie sich mit Angelika beim Orgelspielen im Gottesdienst ab oder begleitet die Orgel auf der Flöte, erledigt professionelle Übersetzungsarbeit und hat während der Sommerferien im Buchladen vertreten als wir für 3 Wochen in Griechenland waren, weil Schweden als Krisengebiet galt und wir die 14 Tage Quarantäne nicht in Kauf nehmen wollten. Mit negativen Ergebnissen beim Coronnatest konnte Angelika ohne Aufenthalt weitermachen. Nur 3 Tage vom Schulunterricht waren schließlich online, sonst war sie täglich persönlich präsent.
Bei „Goodreads“ habe ich mein gestecktes Ziel mit dem Wälzer „Troubled Blood“ erreicht. Die paar Urlaubswochen hatte ich mir frei genommen. Dabei habe ich nichts sonst so detailliert durchgearbeitet wie den Sammelband und die wenigsten waren tausend Seiten lang wie der zuerst genannte Band. Angelika hat ihr Ziel inzwischen fast erreicht und so feiern wir andauernd mit Charlain Harris: „Here’s to books, the cheapest vacation you can buy.”
Im November habe ich Erinnerungen an Großpapa Weber aufgeschrieben. Das Zusammengetragene muss noch ins Reine übertragen werden. Angelika hat die ersten Kostproben hinter sich. Mal sehen, ob ich damit noch in diesem Jahr weiterkomme. Am liebsten würde ich das u.a. T.Maisa und O.Gerhard vorlesen. Sie könnten ja aus eigener Erinnerung viel ergänzen, korrigieren und aus ihrer Sicht beleuchten. Das gleiche gilt von den Cousins. Parallel dazu habe ich die Übersetzung von Ricoeuers Wälzer gelesen plus Martha C. Nussbaum´s Überlegungen und Karl Böhmers Hardeland. Faszinierend wie die unterschiedlichen Texte mit eigenen Erinnerungen verschmelzen und zum Weiterdenken, Kombinieren und Fabulieren anspornen, aber manchmal auch Vergeben und Vergessen vorschlagen.
Friedemann Rothfuchs hat mich auf das folgende Gedicht aufmerksam gemacht Rezept (für´s neue Jahr):
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
Wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muß, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Den eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.Zerreiß deine Pläne. Sei klug
MASCHA KALÉKO
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im grossen Plan.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Wir Wittenberger Webers wünschen Euch ein friedliches Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr 2021 unter der bleibenden Verheißung: „Der Herr ist treu – Er wird’s wohl machen!“ (Ps.37,5) Mit herzlichen Advents- und Weihnachtsgrüßen aus der winterlichen Lutherstadt verbleiben wir weiterhin gerne Eure Webers in Wittenberg: Angelika & Wilhelm
P.S. Wer diesen Rundbrief ausdrucken will, kann das in pdf-Format oder Docx-Format.