Du bist meines Lebens Leben

Ein herrlicher Tag in Wittenberg. Der verhangene Himmel verspricht endlich Regen, aber es soll erst Montag soweit sein. Dabei könnten wir einen durchdringenden Dauerregen gut gebrauchen. Wir und der Wald, die Wiesen und die Felder. Herr, erbarme Dich über uns und alle Welt +

Gestern zum „Tag der Arbeit“ hat Propst Schillhahn (Hessen) wieder mal eine sehr tröstliche Andacht geschrieben und zwar über Dt.28,2-6.11-14. Seine Ausführungen zum Segen fand ich sehr treffend. Ganz im Sinne von Psalm 63:4: „Deine Güte ist besser als Leben!“ Auch ist mir die Unterscheidung von Gottes Güte und Gnade vom äußerlichen Wohlergehen sehr wichtig, nicht nur wegen Hiob, dem leidenden Gottesknecht bei Jesaja und Jesus selbst, sondern weil es doch auch unserer Erfahrung entspricht. Die Psalmen 37 und 73 thematisieren doch gerade dieses – das Frommen Böses geschieht und die Gottlosen scheinbar mit allem durchkommen. Damit haue ich ja nicht schon wieder auf dem Tyrannen Kim Jong-un rum, sondern auf alle, die den Frommen ein Dorn im Auge sind… Aber auch das wollen wir getrost dem Herrn überlassen. Er ist Richter auf Erden und er richtet recht. Gott sei Dank haben wir IX als unseren Fürsprecher und Sühneopfer für unsere Sünde und Schuld +

Dietrich Bonhoeffer schrieb dazu schon in jungen Jahren:

Was ist unser Leben?
Alles, was wir sehen, greifen, hören, schmecken, fühlen;
alles, was uns umgibt, was wir besitzen,
woran wir gewöhnt sind, was wir lieben.
Was ist Gottes Güte?
Jedenfalls alles, was wir nicht sehen,
nicht greifen, nicht begreifen,
ja fast nicht glauben können;
etwas, was wir jedenfalls nicht besitzen,
etwas ganz Unwahrscheinliches, Jenseitiges,
über und hinter allem Geschehen Stehendes
und doch so nah und ernst uns Anregendes.
Wer möchte wagen, da frei zu wählen?
Gott selbst erkämpft sich den Sieg,
und wie etwas menschlich Unmögliches
hören wir es nur von den Lippen des Psalmisten:
Gott, du bist mein Gott.
Deine Güte ist besser denn Leben (Psalm 63, 4).

Dietrich Bonhoeffer

Heute muß ich mich nun an die Predigt zum 3. Sonntag nach Ostern (Jubilate) machen. Wieder mal ist die große Schöpfermacht unseres Gottes Thema – und wie er alles sehr gut schafft – gerecht, wohl geordnet und überaus lebensfreundlich. Wenn es so oft betont in zentralen Stellen der biblischen Botschaft hervorgehoben wird, dann kann der 1.Glaubensartikel “vom Schöpfer und seiner Schöpfung” ja nicht nur nebenbei oder völlig verdreht, verkehrt und/oder verkürzt abgetan werden! Zielt doch dieser ursprüngliche Gedankengang schon von ganz früh in der Geschichte auf die göttliche und endgültige Neuschöpfung in IX ab – das unterstreicht die paulinische Predigt auf dem Areopag in unmittelbarer Nähe der sagenhaften Akropolis (Apostelgeschichte 17) und wird uns in der epistolischen Lektion vorgelesen.

“Akropolis” von Leo von Klenze (1846)

Unserer Predigt liegt das johanneische Evangelium aus Kapitel 15 über Jesu Rede vom Weinstock zugrunde. Das erinnert mich immer wieder an Papas Ausführungen, der zu gerne auf die ehemalige Bibelarbeit meines Schweigervaters zum Thema hinwies: „Ohne IX können wir nichts tun. Ohne IX wollen wir nichts tun!“

Ich freue mich auf den Sonntag und den Anfang der neuen Woche. Offensichtlich läuft jetzt alles ziemlich zügig auf die Neueröffnung des Lebens nach Corona und die Wiederaufnahme des Normalzustandes zu. Mal sehen, ob es ein neues Leben beinhaltet oder doch nur wieder eine Wiederauflage des Gewohnten. Im Rahmen des Vorhergesagten, wird es wohl wieder das alte Lied sein. Für das Anstimmen des neuen muß man schon in die Kirche bzw das Gesangbuch aufschlagen, wo wir besingen, dass uns der auferstandene Herr in dieser österlichen Freudenzeit neues Leben, Freude und Friede die Fülle verheißt, schenkt und austeilt. Er verspricht: „Siehe, ich mache alles neu!“  

Und wir können mit seinem hl. Apostel Paulus bekennen: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2.Kor.5,17) In diesem Sinne singen wir dann das alte Gebet und Bekenntnis, dass uns Philipp Spitta (1826) mit auf den Weg gegeben hat:

1) Bei dir, Jesu, will ich bleiben,
stets in deinem Dienste stehn;
nichts soll mich von dir vertreiben,
will auf deinen Wegen gehn.
Du bist meines Lebens Leben,
meiner Seele Trieb und Kraft,
wie der Weinstock seinen Reben
zuströmt Kraft und Lebenssaft.

2) Könnt ich’s irgend besser haben
als bei dir, der allezeit
soviel tausend Gnadengaben
für mich Armen hat bereit?
Könnt ich je getroster werden
als bei dir, Herr Jesu Christ,
dem im Himmel und auf Erden
alle Macht gegeben ist?

3) Wo ist solch ein Herr zu finden,
der, was Jesus tat, mir tut:
mich erkauft von Tod und Sünden
mit dem eignen teuren Blut?
Sollt ich dem nicht angehören,
der sein Leben für mich gab,
sollt ich ihm nicht Treue schwören,
Treue bis in Tod und Grab?

4) Ja, Herr Jesu, bei dir bleib ich
so in Freude wie in Leid;
bei dir bleib ich, dir verschreib ich
mich für Zeit und Ewigkeit.
Deines Winks bin ich gewärtig,
auch des Rufs aus dieser Welt;
denn der ist zum Sterben fertig,
der sich lebend zu dir hält.

5) Bleib mir nah auf dieser Erden,
bleib auch, wenn mein Tag sich neigt,
wenn es nun will Abend werden
und die Nacht herniedersteigt.
Lege segnend dann die Hände
mir aufs müde, schwache Haupt,
sprich: “Mein Kind, hier geht’s zu Ende;
aber dort lebt, wer hier glaubt.”

6) Bleib mir dann zur Seite stehen,
graut mir vor dem kalten Tod
als dem kühlen, scharfen Wehen
vor dem Himmelsmorgenrot.
Wird mein Auge dunkler, trüber,
dann erleuchte meinen Geist,
daß ich fröhlich zieh hinüber,
wie man nach der Heimat reist.

About Wilhelm Weber

Pastor at the Old Latin School in the Lutherstadt Wittenberg
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