Steinerner Kreuzgangsgruppe aus dem 15. Jhd an der Südseite von St.Marien (Lutherstadt Wittenberg)
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Aber du bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels. Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk. Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: »Er klage es dem HERRN, der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.« Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen; du ließest mich geborgen sein an der Brust meiner Mutter. Auf dich bin ich geworfen von Mutterleib an, du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an.
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer. Gewaltige Stiere haben mich umgeben, mächtige Büffel haben mich umringt. Ihren Rachen sperren sie gegen mich auf wie ein brüllender und reißender Löwe. Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, / alle meine Gebeine haben sich zertrennt; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebt mir am Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub.
Denn Hunde haben mich umgeben, und der Bösen Rotte hat mich umringt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben. Ich kann alle meine Gebeine zählen; sie aber schauen zu und weiden sich an mir. Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand. Aber du, HERR, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen! Errette mein Leben vom Schwert, mein einziges Gut von den Hunden!
Psalm 22. Ein Psalm Davids, vorzusingen, nach der Weise »die Hirschkuh der Morgenröte«. Verdeutscht von Dr. Martin Luther (Revision 2017)
Des Morgens, wenn Du aufstehst, kannst Du Dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und sagen:
Das walte Gott Vater + Sohn und Heiliger Geist! Amen
Apostolische Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist von dem Heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel; sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen.
Vaterunser
Vater unser im Himmel Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen (Luthers Morgensegen)
Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, daß Dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde.
Als dann mit Freuden an Dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen oder was Dir Deine Andacht eingibt.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!
2. Korinther 13,13
Lied aus dem lutherischen Kirchengesangbuch
Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür, fröhlich vom Schlaf aufstehen wir, Gott Lob, der uns heut diese Nacht behüt’ hat vor des Teufels Macht.
Herr Christ, den Tag uns auch behüt vor Sünd und Schand durch Deine Güt. Lass Deine lieben Engelein unsre Hüter und Wächter sein,
daß unser Herz in G’horsam leb, Deim Wort und Willn nicht widerstreb, daß wir Dich stets vor Augen han in allem, das wir heben an.
Laß unser Werk geraten wohl, was ein jeder ausrichten soll, daß unsre Arbeit, Müh und Fleiß gereich zu Deim Lob, Ehr und Preis.
Nikolaus Herman 1560 (LKG 274)
Fortlaufende Lese
Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, dass er Anhänger dieses Weges, Männer und Frauen, wenn er sie fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.
Apostelgeschichte 9,1-9
Morgenlese
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe; er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Rat-schluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um die Fülle der Zeiten heraufzuführen, auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn.
In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Rettung – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Epheser 1,3-14
Abendlese
Dieser ist’s, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut; und der Geist ist’s, der das bezeugt, denn der Geist ist die Wahrheit.
Denn drei sind, die das bezeugen: der Geist und das Wasser und das Blut; und die drei stimmen überein. Wenn wir der Menschen Zeugnis annehmen, so ist Gottes Zeugnis größer; denn das ist Gottes Zeugnis, dass er Zeugnis gegeben hat von seinem Sohn.
Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat dieses Zeugnis in sich. Wer Gott nicht glaubt, der macht ihn zum Lügner; denn er glaubt nicht dem Zeugnis, das Gott gegeben hat von seinem Sohn. Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.
Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.
1. Johannes 5,6-13
Bekenntnislese
II. Vom freien Willen
Status Controversiae Die Hauptfrage in dieser Zwiespalt
Nachdem der Menschen Wille in vier gleichen Ständen gefunden, nämlich 1. vor dem Fall, 2. nach dem Fall, 3. nach der Wiedergeburt, 4. nach der Auferstehung des Fleisches: ist die Hauptfrage allein von dem Willen und Vermögen des Menschen in andern Stande, was derselbige nach dem Fall unser ersten Aeltern vor seiner Wiedergeburt aus ihm selbst in geistlichen Sachen vor Kräfte habe, und ob er vermöge aus seinen eigenen Kräften, zuvor und ehe er durch den Geist Gottes wiedergeboren, sich zur Gnade Gottes schicken und bereiten, und die durch den heiligen Geist im Wort und heiligen Sacramenten angebotene Gnade annehmen oder nicht?
Affirmativa: Reine Lehre vermöge Gottes Worts von diesem Artikel
1. Hiervon ist unser Lehre, Glaub und Bekenntnis, daß des Menschen Verstand und Vernunft in geistlichen Sachen blind, nichts verstehe aus seinen eigenen Kräften, wie geschrieben stehet: Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Thorheit und kann es nicht begreifen, wann er wird von geistlichen Sachen gefraget.
2. Desgleichen gläuben, lehren und bekennen wir, daß des Menschen unwiedergeborner Wille nicht allein von Gott abgewendet, sondern auch ein Feind Gottes worden, daß er nur Lust und Willen hat zum Bösen und was Gott zuwider ist, wie geschrieben stehet: Das Dichten des Menschen Herzen ist bös von Jugend auf. Item: Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gotte, sintemal es dem Gesetz nicht unterthan ist, denn es vermag es auch nicht. Ja so wenig ein todter Leib sich selbst lebendig machen kann zum leiblichen irdischen Leben, so wenig mag der Mensch, so durch die Sünde geistlich todt ist, sich selbst zum geistlichen Leben aufrichten, wie geschrieben stehet: Da wir todt waren in Sünden, hat er uns sammt Christo lebendig gemacht. Darum wir auch aus uns selbst, als aus uns, nicht tüchtig seind etwas Guts zu gedenken, sondern daß wir tüchtig sind, das ist von Gott. 2. Kor. 3
3. Die Bekehrung aber wirket Gott der heilige Geist nicht ohne Mittel, sondern gebraucht dazu die Predigt und das Gehör Gottes Worts, wie geschrieben stehet: Das Evangelium ist eine Kraft Gottes selig zu machen. Item: Der Glaube kommt aus dem Gehör Gottes Worts. Und ist Gottes Wille, daß man sein Wort hören, und nicht die Ohren verstopfen solle. Bei solchem Wort ist der heilige Geist gegenwärtig und thut auf die Herzen, daß sie, wie die Lydia in der Apostelgeschichte am 16. Kap., darauf merken und also bekehret werden allein durch die Gnade und Kraft des heiligen Geistes, dessen Werk allein ist die Bekehrung des Menschen. Dann ohne seine Gnade ist unser Wollen und Laufen, unser Pflanzen, Säen und Begießen alles nichts, wenn er nicht das Gedeihen darzu verleihet, wie Christus sagt: Ohne mich vermüget ihr nichtes. Mit welchen kurzen Worten er dem freien Willen seine Kräfte abspricht, und alles der Gnaden Gottes zuschreibet, damit sich nicht jemands vor Gott rühmen möchte. 1.Kor. 1
Negativ: Widerwärtige falsche Lehre
Demnach verwerfen und verdammen wir alle nachfolgende Irrthum als der Richtschnur Gottes Worts zuwider:
1. Den Schwarm der Philosophen, so man Stoices genennet hat, wie auch die Manichäer, die gelehret haben, daß alles, was geschähe, müße also geschehen und könne nicht anders geschehen, und daß der Mensch alles aus Zwang thue, was er auch in äußerlichen Dingen handele, und zu bösen Werken und Thaten, als Unzucht, Raub, Mord, Diebstahl und dergleichen, gezwungen werde.
2. Wir verwerfen auch der groben Pelagianer Irrthum, die gelehret haben, daß der Mensch aus eigenen Kräften ohne die Gnade des heiligen Geistes sich selbst zu Gott bekehren, dem Evangelio gläuben, dem Gesetz Gottes mit Herzen gehorsamen, und also Vergebung der Sünden und ewiges Leben verdienen könne.
3. Wir verwerfen auch der Halbpelagianer Irrthum, welche lehren, daß der Mensch aus eigenen Kräften den Anfang seiner Bekehrung machen, aber ohne die Gnad des heiligen Geistes nicht vollbringen möge.
4. Item, da gelehret wird, obwol der Mensch mit seinem freien Willen vor seiner Wiedergeburt zu schwach, den Anfang zu machen und sich selbst aus eigenen Kräften zu Gott zu bekehren und Gottes Gesetz von Herzen gehorsam zu sein: jedoch, wann der heilige Geist mit der Predigt des Worts den Anfang gemacht und seine Gnade darinne angeboten, daß alsdann der Wille des Menschen aus seinem eignen natürlichen Kräften etlichermaßen etwas, wiewol wenig und schwächlich, darzu thun, helfen und mitwirken, sich selbst zur Gnade schicken, bereiten, dieselbige ergreifen, annehmen und dem Evangelio gläuben könne.
5. Item, daß der Mensch, nachdem er wiedergeboren, das Gesetz Gottes vollkommen halten und gänzlich erfüllen könne, und daß solche Erfüllung unser Gerechtigkeit vor Gott sei, mit welcher wir das ewige Leben verdienen.
6. Item, wir verwerfen und verdammen auch den Irrthum der Enthusiasten, welche dichten, daß Gott ohne Mittel, ohne Gehör Gottes Worts, auch ohne Gebrauch der heiligen Sacramenten die Menschen zu sich ziehe, erleuchte, gerecht und selig mache. Enthusiasten heißen, die ohne die Predig Gottes Worts auf himmlische Erleuchtung warten.
7. Item, daß Gott in der Bekehrung und Widergeburt des alten Adams Substanz und Wesen und sonderlich die vernünftige Seele ganz vertilge, und ein neues Wesen der Seele aus Nichts in der Bekehrung un Wiedergeburt erschaffe.
8. Item, wann diese Reden ohne Erklärung gebraucht, daß des Menschen Wille vor, in und nach der Bekehrung dem heiligen Geist widerstrebe, und daß der heilige Geist gegeben werde denen, so ihm vorsätzlich und beharrlich widerstreben, dann Gott in der Bekehrung aus den Unwilligen Willige machet, und in den Willigen wohnet, wie Augustinus redet.