Weiter lesen wir in der Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses des Magisters Philipp Melanchthon (1530) übersetzt von Justus Jonas.
Vor das erst, das niemands gedenck, wir reden von einem schlechten wissen odder erkentnis der Historien von Christo, so müssen wir erstlich sagen, wie es zugehet, wie ein hertz anfehet zu gleuben, wie es zum glauben kömpt. Darnach wollen wir anzeigen, das derselbig glaub fur Got from macht und wie das zu verstehen sey und wollen der widdersacher grunde eigentlich, klar und gewis ablenen. Christus befielet Lucae am letzten, zu „predigen bus und vergebung der sunde“. Das Evangelium auch straffet alle menschen, das sie inn sunden geborn sein und das sie alle schüldig des ewigen zorns und tods sein, nd beutet ihnen an vergebung der sunde und gerechtigkeit durch Christum. Und dieselbige vergebung, versönung und gerechtigkeit wird durch den glauben entpfangen.
Denn die predigt von der bus odder diese stimme des Evangelii (Bessert euch! thut bus!), wen sie recht inn die hertzen gehet, erschreckt sie die gewissen und ist nicht ein schertz, sondern ein gros schrecken, da das gewissen sein jamer und sunde und Gottes zorn fület. Inn dem erschrecken sollen die hertzen widder trost suchen; das geschicht, wenn sie gleuben an die verheissung von Christo, das wir durch ihnen vergebung der sunde haben. Der glaub, wilcher inn solchem zagen und schrecken die hertzen widder aufrichtet und tröstet, entpfehet und entpfindet vergebung der sunde, macht gerecht und bringt leben; denn derselbig starcke trost ist ein neu geburt und ein neu leben.
Dieses ist jhe einfeltig und klar gered, so wissen frome hertzen, das es also ist, so sind die Exempel, das es mit allen heiligen so gangen von anbegin, inn der kirchen vorhanden, wie an der bekerung Pauli und Augustini zu sehen ist. Die widdersacher haben nichts gewisses, können nirgent recht sagen odder verstendlich davon reden, wie der heilig geist geben wird. Sie ertichten ihnen eigen treume, das durch schlecht leiplich entpfahen und brauchen das Sacrament ex opere operato die leut gnad erlangen und den heiligen geist entpfahen, wenn schon das hertz gar nicht dabey ist, gleich als sey das licht des heiligen geists so ein schlecht, schwach, nichtig ding.
So wir aber von einem solchen glauben reden, wilcher nicht ein müssiger gedanck ist, sondern ein solch neu liecht, leben und krafft im hertzen, wilche hertz, syn und mut verneuert, ein andern menschen und neu creatur aus uns macht, nemlich ein neu liecht und werck des heiligen geists, So verstehet ja meniglich, das wir nicht von solchem glauben reden, dabei todsund ist, wie die widdersacher vom glauben reden. Denn wie will liecht und finsterins beieinander sein? denn der glaub, wo er ist und dieweil er da ist, gebiert er gut frucht, wie wir darnach sagen wollen.
Dieses ist jhe mit klaren, deutlichen, einfeltigen worten gered, wie es zugehet, wenn ein sunder recht sich bekert, was die neu geburt sey odder nicht sey. Trotz nu geboten allen den sententiariis, ob sie unter den unzehelichen Commenten, glossen und Scribenten uber sententiarum einen können furbringen, der ein wörtlein, ein tittel recht davon setzet, wie es zugehet, wenn ein sunder bekert wird. Wenn sie von der liebe reden odder wenn sie von ihrem „habitu dilectionis“ reden, so brengen sie wol ihre treum fur, dar denselbigen habitum die leut verdienen durch ihr werck, reden aber garnichts von Gottes verheissung odder wort, wie auch zu dieser zeit die widerteuffer leren.
Nun kann man mit Gott doch jhe nicht handeln, so lest sich Gott nicht erkennen, suchen noch fassen denn allein im wort und durchs wort, wie Paulus sagt: „Das Evangelium ist ein krafft Gottes allen, die daran glauben.“ Item, zu den Römern am x: Der glaub ist aus dem gehör; und aus dem allein solt jhe klar gnug sein, das wir allein durch den glauben fur Gott from werden. Denn so wir allein durchs wort Gottes zu Gott komen und gerecht werden, und das wort kann niemands fassen denn durch den glauben, so folget, das der glaub gerecht macht. Doch sind andere ursachen, die sich zu dieser sach besser reimen. Dieses hab ich bisher gesagt, das ich anzeige, wie es zugehet, wie wir neu geborn werden, und das man verstehen möchte, was der glaub ist odder nicht ist, davon wir reden.
Nu wöllen wir anzeigen, das derselbige glaube und sonst nichts uns fur Gott gerecht macht, und erstlich will ich dieses hie den leser vorwarnen: gleich wie dieser spruch mus und sol stehenbleiben und kann ihnen niemands umbstossen: „Christus ist unser einiger mitler“, also kann auch diesen spruch niemands umbstossen: „durch den glauben werden wir rechtfertig one wercke.“ Denn wie will Christus der mitler sein und bleiben, wenn wir nicht durch den glauben uns an ihn halten als an mitler und also Gott versünet werden, wenn wir nicht gewis im hertzen halten, das wir umb seinetwillen fur Gott gerecht geschatzt werden? Das heist nu gleuben, also vertrauen, also sich trösten des verdiensts Christi, das umb seinetwillen Gott gewis uns wölle gnedig sein. Item, wie dieses klar inn der schrifft ist, das uber das gesetz zur seligkeit not ist die verheissung Christi, Also ist auch klar, das der glaub gerecht macht, denn das gesetz prediget nicht vergebung der sunde aus gnaden. Item, das gesetz können wir nicht erfüllen, noch halten, ehe wir den heiligen geist entpfahen. Darümb mus das bestehen, das zur seligkeit die verheissung Christi vonnöten ist, dieselbigen kn nu niemands fassen noch entpfahen denn allein durch den glauben. Darümb diejhenigen, so leren, das wir nicht durch glauben fur Gott gerecht und frum werden, was thun die anders, denn das sie Christum und das Evangelium unterdrücken und das gesetz leren?
Aber etlich, wenn man sagt: der glaub macht rechtfertig fur Gott, verstehen solchs vielleicht vom anfang, nemlich, das der glaub sey nur der anfang odder ein vorbereitung zu der rechtfertigung. Also das nicht der glaub selbst dafür gehalten werden sol, das wir dadurch Gott gefallen und angenem sind, sondern das wir Gott angenem sind von wegen der lieb und werck, so folgen, nicht von wegen des glaubens. Und solche meinen, der glaube werde allein derhalben gelobet inn der schrifft, das er ein anfang sey guter werck, wie denn allzeit viel am anfang gelegen ist. Dis aber ist nicht unser meinung, sondern wir leren also vom glauben, das wir durch den glauben selbst fur Gott angenem sind. Und nachdem das wort „iustificari“ auff zweierley weis gebraucht wird, nemlich fur „bekeret werden“ odder „neu geborn“, Item, fur „gerecht geschetzt werden“, wollen wir das erst anzeigen, das wir allein durch den glauben aus dem Gotlosen wesen bekert, neu geborn und gerecht werden.
Etlich fechten gros an das wort „sola“, so doch Paulus klar saget zu den Römern am iii: „So halten wir nu, das der mensche gerecht werde one des gesetz wercke.“ Item, zu Ephesern ii: „Gottes gabe ist, nicht aus euch, noch aus den wercken, auff das sich nicht jmand rhüme.“ Item, zun Römern am iii. dergleichn. So nu dieses wort und diese exclusiva, „sola“ etlichen so hart entgegen ist, so ubel gefellet, die mügen an so viel orten inn den Episteln Pauli auch dieses wort auskratzen: „aus gnaden“, Item, „nicht aus wercken“, Item, „Gottes gabe“ etc, Item, „das sich niemands rhüme“ etc und dergleichen, denn es sind gantz starcke exclusivae. Das wort „aus gnaden“ schleust verdienst und alle wercke aus, wie die namen haben. Und durch das wort „sola“, so wir sagen, allein der glaub macht from, schliessen wir nicht aus das Evangelium und die Sacrament, das darümb das wort und Sacrament sollten vergeblich sein, so es der glaub alles allein thut, wie der widdersacher uns alles geferlich deuten, sondern unsern verdienst daran schliessen wir aus. Denn wir haben oben gnug gesagt, das der glaub durch wort kömpt, so preisen wir das predigampt und -wort höer und mehr denn die widersacher, so sagen wir auch: die Liebe und wercke sollen dem glauben folgen. Darümb schliessen wir die werck durch sort „sola“ nicht also aus, das sie nicht folgen solten, Sondern, das vertrauen auff verdienst, auff wercke, das schliessen wir aus, Und sagen, sie verdienen nicht vergebung der sunden, und das wollen wir noch richtiger, heller und klerer zeigen.
Apologia der Confession verdeutscht aus dem Latin durch Justum Jonam: AC IV (Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche hg.v Dingel u.a. i.A. der EKD (V&R: 2014. S.292-298)
