Wie man fur Gott from und gerecht wird (AC IV cont)

Rudolf Schäfer: “Das Endgericht”

Und inn diessen stücken eben, inn disser lare sind viel andere grosse, gantz schedliche irthumb und schreckliche lesterunge Gottes begriffen und verborgen, welche alle bey namen zu erzelen jtzo zu lange were; allein das wölle doch umb Gottes willen ein jglicher Christlicher leser bedencken: Können wir durch solch werck für Gott from und Christen werden, so wolt ich gerne hören – und versucht alle, euer bestes hie zu antworten -, was doch vor unterscheid sey wolt zwischen der Philosophen und Christi lare. So wir vergebung der sunde erlangen mügen durch solch unser wercke odder „actus elicitos“, was hilfft uns denn Christus? Können wir heilig und from fur Gott werden durch natürliche vernufft und unser eigen gute wercke, Was dürffen wir denn des bluts und tods Chirsti odder das wir durch ihnen neu geborn werden, wie Petrus sagt? Und aus dem ferlichen irthumb ist es leider dahin geraten, das auch gros Theologen zu Löven, Paris etc. von keiner andern Christlichen frömkeit odder gerechtickeit gewust haben denn von der frömgkeit, wilche die Philosophy leret. Und so es uns billich frömde sein solt und wir billich sie verlachen sollten, verlachen sie uns, ja verspotten Paulum selbst.

Also gar ist der schendlich, greulich irthumb eingerissen. Ich hab selbst ein grossen prediger gehört, wilcher Christi und das Evangelium nicht gedacht und Aristotelis Ethicorum predigt; heist das nicht kindisch, nerrisch unter Christen gepredigt? Aber ist der widdersacher lere war, so ist das Ethicorum ein köstlich predigtbuch und ein fein, neu Bibel. Denn von eusserlichem erbarn leben wird nicht leicht jmands besser schreiben denn Aristoteles. Wir sehen, das etlich hochgelarten haben bücher geschrieben, darinne sie anzeigen, als stimmen die wort Christi und die sprüche Socratis und Zenonis fein zusamen, gleich als sey Christus komen, das er gute gesetz und gebot gebe, durch wilche wir vergebung der sunden verdienen sollten, und nicht viel mehr gnade und friede Gottes zu verkünden und den heiligen geist auszuteilen durch sein verdienst und blut. Darümb, so wir der widdersacher lere annemen, das wir vergebung der sunden verdienen mügen aus vermügen natürlicher vernunfft und unser werck, so sind wir schon Aristotelisch und nicht Christisch und ist kein unterschied zwischen erbarm Heidnischem, zwischen Phariseischem und Christlichem leben, zwischen Philosophy und Evangelio.

Wiewol nu die widdersacher, damit sie des namen Christi nicht gar als die Gottlosen, rohen Heiden schweigen, also vom glauben reden, das sie sagen, Es sei ein erkentnis der Historien von Christo, und wiewol sie von Christo auch dennoch etwas sagen, nemlich, das er uns verdienet habe ein „habitum“ oder „primam gratiam“, die erste gnade, wilche sie achten fur ein neigung, dadurch wir dennoch Gott leichter denn sonst lieben können, So ist es doch ein schwache, geringe, klein, schlecht wirckung, die Christus also hette odder die durch solchen habitum geschehe. Denn sie sagen nichtsdesteweniger, das die wercke unser vernunfft und willens, ehr derselbige habitus da ist und auch darnach, wenn derselbig habitus da ist, „eiusdem speciei“, i.e. fur und nach einerley und ein ding sey. Denn sie sagen, das unser vernunfft und menschlicher wille an ihm selbs vermüge, Gott zu lieben, allein der habitus brenge ein neigung, das die vernufft dasselbige, das sie zuvor wol vermag, deste lieber und leichter thue. Darümb leren sie auch, das derselbige habitus müsse verdienet werden durch unser vorgehende wercke und das wir durch die werck des gesetzs vermerung solcher guter neigung und das ewige leben verdienen. Also verbergen uns die leute Christum und begraben ihn auffs neu, das wir ihnen nicht fur ein mitler erkennen können, denn sie schweigen gar, das wir lauter aus gnaden, one verdienst vergebung der sunden durch ihnen erlangen, sondern brengen ihre treume auff, als künden wir durch gute wercke und des gesetzs werck vergebung der sunde verdienen, so doch die gantz schrifft sagt, das wir das gesetz nicht vermügen zu erfüllen odder zu halten. Und so die vernufft am gesetz nichts ausrichtet, denn das sie allein eusserlich werck thut – Im hertzen aber fürchtet sie Gott nicht -, so gleubt sie auch nicht, das Got ihr warneme. Und wiewol das sie von dem habitu also reden, so ist es doch gewis, das one den glauben an Christum recht Gottesliebe inn keinem hertzen sein kann, so kann auch niemands verstehen, was Gottesliebe ist, ohne den glauben.

Das sie aber ein unterschied ertichten unter „merito congrui“ und „merito condigni“, unterm gebürlichen verdienst und rechtem gantzen verdienst, spilen und zancken sie allein mit worten, damit sie sich nicht öffentlich als Pelagianer mercken lassen. Denn so Gott von nut mus gnade geben umb gebürverdienst, wiewol sie selbs nicht wissen, was sie sagen; denn sie ertichten und treumen, das, wenn der habitus der lieb Gottes da ist, so verdiene der mensch gebürlich odder de congruo die gnade Gottes. Und sagen doch, es könne niemands so gewis sein, ob derselbig habitus da sey. Nu höret, lieben herrn, wie wissen sie denn odder wenn wissens sie es, ob sie gebürlich odder durch gantz verdienst fur vol odder halb unserm Herrn Gott sein gnad abverdienen?

Aber, ach, lieber Herr Gott, das sind eitel kalte gedancken und treume müssiger, heiloser, unerfarner leute, wilche die Bibel nicht viel inn practiken brengen, die gar nicht wissen noch erfaren, wie einem sunder umbs hertz ist, was anfechtung des tods odder des Teuffels sind, die gar nicht wissen, wie rein wir alles verdienstes, aller werck vergessen, wenn das hertz Gottes zorn fület odder das gewissen inn engsten ist. Die sicheren, unerfaren leute gehen wol immer dahin in dem wahn, als verdienen sie mit ihren wercken de cogruo gnad. Denn es ist one das uns angeborn natürlich, das wir von uns selbs und unsern wercken gern etwas viel wollten halten. Wenn aber ein gewissen recht sein sunde und jamer fület, so ist aller scherzt, so sind alle spilgedancken aus und ist eitel grosser, rechter ernst; da lest sich kein hertz noch gewissen stillen, noch zufrieden stellen, suchet allerley wercke und aberwercke und wolt gern gewisheit, wolt gern grund fülen und gewis auff etwas fussen und rugen. Aber dieselbigen erschrocknen gewissen fülen wol, das man weder de condigno noch de congruo nichts verdienen kann, sincken bald dahin inn verzagen und verzweifelung, wenn ihnen nicht ein ander wort denn des gesetzs lere, nemlich das Evangelium von Christo, das der fur uns gegeben ist, gepredigt wird. Daher weis man etlich Historien, das die Barfusser Mönche, wenn sie etlichen guten gewissen an der todstunde lange haben umbsonst ihr orden und gute wercke gelobet, das sie zuletzt haben müssen ihres ordens und Sanct Franciscen schweigen und dis wort sagen: lieber mensch, Christus ist fur dich gestorben. Das hat inn engsten erquicket und erkület, frid und trost allein geben.

Also leren die widdersacher nichts denn ein eusserliche frömkeit, eusserlicher guter werck, wilche Paulus „des gesetzs frömkeit“ nennent, und sehen also wie die Jüden das verdeckt angesicht Mosi, thun nichts, denn das sie inn etlichen sichern heuchlern die sicherheit und hertigkeit stercken, füren die leute auff ein sandgrund, auff ihre eigen werck, dadurch Christus und das Evangelium veracht wird, geben manchen elenden gewissen ursach zur verzweifelung, denn sie thun gute wercke auff ungewissen wahn, erfahren nimmer, wie ein gros krefftig ding der glaube ist, fallen zuletzt gantz in verzweifelung. Wir halten und reden von der eusserlichen frömkeit also, das Gott wol foddert und haben wil ein solch eusserlich erbar leben und umb Gottes gebots willen müsse man dieselbigen guten wercke thun, wilche inn Zehen gepoten werden geboten, denn „das gesetz ist unser zuchtmeister“ und das „gesetz ist den unrechten geben“. Denn Gott der Herr will, das den groben sunden durch ein eusserliche zucht gewehret werde, und, dasselbige zu erhalten, gibt er gesetz, ordenet öberkeit, gibt gelerte weise leute, die zum regiment dienen. Und also eusserlich erbar wandel und leben zu füren, vermag etlichermas die vernufft aus ihren krefften, wiewol sie offte durch angeborne schwacheit und durch list des Teuffels auch daran gehindert wird. Wiewol ich nu einem solchen eusserlichem leben und den guten wercken gerne so viel lobes las, als ihm gebüret, denn inn diesem leben und im weltlichen wesen ist jhe nicht bessers denn redligkeit und tugent. Wie denn Aristoteles sagt, das widder morgenstern noch abentstern lieblicher, schöner sey denn erbarkeit und gerechtigkeit; wie denn Gott solch tugent auch belonet mit leiblichen gaben, so sol man doch gute wercke und solchen wandel nicht also hoch heben, das es Christo zu schmach reiche. Denn also schlies ich und bin des gewis, erticht ists und nicht war, das wir durch unser wercke sollten vergebung der sunde verdienen. Auch ists lügen und nicht war das ein mensch fur Gott könne gerecht und from werden durch seine wercke und eusserlich frömkeit. Auch ist es ungrund und nicht war, das die menschlich vernunfft aus ihren krefften vermügen solt, Gott uber alles zu lieben, sein gebot zu halten, ihnen zu forchte, gewis darauff zu stehen, das Gott das gebet erhöre, Gott zu dancken und gehorsam zu sein, in trübsaln und andern, was Gottes gesetz gebeut, als nicht frembdes gutes begern etc., Denn das alles vermag vernunfft nicht, wiewol sie eusserlich erbar leben und gute werck etlichermas vermag. Auch ist es ertichtet und nicht war und lesterung widder Christum, das diejhenigen sollen one sunde sein, die Gottes gebot allein eusserlich halten, one geist und gnade im hertzen.

Diesses meins beschlus hab ich zeugnis nicht allein aus der heiligen schrifft, sondern auch aus den alten Vetern. Augustinus redet und handelt solchs auffs allerreichlichst wider die Pelagianer, das die gnade nicht geben wird umb unsers verdiensts willen, Und im buch „de natura et gratia“, i.e. „von der natur und gnade“, sagt er also: „So das vermügen der natur durch den freien willen gnug ist, beide zu erkennen, wie man leben sol und also recht zu leben, so ist Christus umbsonst gestorben.“ Warümb solt ich hie auch nicht ruffen und schreien mit Paulo? Ich mag billich schreien: „Ihr habt Christum verloren, die ihr durchs gesetzs wercke gerecht werden wolt und sei von der gnade gefallen“; denn ihr erkennent die gerechtigkeit nicht, die fur Gott gilt, und trachtet, eure eigne gerechtigkeit auffzurichten, und seid der gerechtigkeit, die fur Gott gilt, nicht unterthan; denn wie das endes des gesetzs Crhistus ist, also ist auch der heiland der verterbeten natur Christus.“ Item Johannes am 8.: „So euch der son frey macht, so seid ihr recht frey.“

Apologia der Confession verdeutscht aus dem Latin durch Justum Jonam: AC IV (Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche hg.v Dingel u.a. i.A. der EKD (V&R: 2014. S.272ff)
Unknown's avatar

About Wilhelm Weber

Pastor at the Old Latin School in the Lutherstadt Wittenberg
This entry was posted in Book of Concord: Confessions of the Evangelical Lutheran Church, Lutheran Confessions, Martin Luther and the Reformation and tagged , , , , . Bookmark the permalink.

Leave a comment

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.