AC IV: Von der Erbsünde (5)

Kain auf der Flucht vor Jahwes Fluch von Fernand-Anne Piestre Cormon ca. 1880, Musée d’Orsay, Paris

Und wenn die widdersacher werden furgeben, das „fomes“ odder die böse neigung widder gut noch böse sey, da werden nicht allein viel sprüche der schrifft widder sein, sondern auch die gantze Kirche und alle Veter. Denn alle erfarne Christliche hertzen wissen, das diese stücke leider uns inn der haut stecken, angeborn sind, nemlich, das wir gelt, gut, alle ander sachen grosser denn Gott achten, sicher dahingehen und -leben, Item, das wir immer nach art fleischlicher sicherheit also gedencken, Gottes zorn und ernst sey nicht so gros uber die sunde, als er doch gewis ist, Item, das wir den edelen, unaussprechlichen schatz des Evagelii und versünung Chirsti nicht hertzlich so teuer und edel achten, als sie ist, Item, das wir widder Gottes werck und willen murren, das er inn trübsalen nicht bald hilffet und machts, wie wir wollen. Item, wir erfaren teglich, das es uns wehe thut, wie auch David und alle heiligen geklagt, das den Gottlosen inn dieser welt wolgehet. Darüber fülen alle menschen, wie leicht ihr hertz entbrennet, jizund mit ehrgeitz, denn mit grim und zorn, denn mit unzucht. So nu die widdersacher selbst bekennen müssen, das solcher unglaube, solcher ungehorsam widder Gott im hertzen ist, wenn schon nicht gantz verwilligung, sondern allein die neigung und lust da ist, wer will so küne sein, das er diese grobe stücke widder bös noch gut achte? Nun sind die klaren Psalmen und klare wort der Propheten da, das sie bekennen, das sie sich also fülen.

Aber die Sophisten inn Schulen haben zu dieser sache wider die klaren, öffentlichen schrifft gered und aus der Philosophy ihr eigen treume und sprüche ertichtet, sagen, das wir umb der bösen lüste willen widder bös noch gut, wider zu schelden noch zu loben sind, Item, das luste und gedancken inwendig nicht sunde sind, wenn ich nicht gantz drein verwillige. Dieselbigen rede und worte inn der Philosophen bücher sind zu verstehen von eusserlicher erbarkeit fur der welt und auch von eusserlicher straff fur der welt. Denn da ists war, wie die Juristen sagen, L Cogitationis: Gedancken sind zollfrey und strafffrey, Aber Gott erforschet die hertzen. Mit Gottes gericht und urteil ists anders. Also fliecken sie auch an diese sach andere ungerempte sprüch, nemlich Gottes geschepff und die natur könne an ihr selbs nicht bös sein; das fecht ich nicht an, wenn es irgent gered wird, da es stad hat, aber dazu sol dieser spruch nicht angezogen werden, die Erbsunde gering zu machen. Und diesselbigen sprüche der Sophisten haben viel unsagliches schadens gethan, durch wilche sie die Philosophy und die lere, wilche eusserlich leben fur der welt belangen, vermischen mit dem Evangelio und haben doch solchs nicht allein inn der schule geleret, sondern auch öffentlich unverschempt fur dem volck gepredigt. Und dieselbigen ungöttlichen, irrigen, ferliche, schedliche leren hatten in aller welt uberhand genomen, da ward nichts gepredigt denn unser verdienst in aller welt. Dadurch ward das erkentnus Christi und das Evangelium gantz untergedrückt.

Derhalben hat Doctor Luther aus der schrifft leren und kleren wollen, wie ein gros todsschuld die Erbsunde fur Gott sey und wie inn grossem elend wir geborn werden und das die uberig Erbsunde, so nach der Tauff bleibt, an ihr selb nicht indifferens sey, sondern bedarff des mitlers Christi, das sie uns Gott nicht zurechene, und one unterlas des liechts und wirckung des heiligen geists, durch welchen sie ausgefeget und getödtet werde.

Wiewol nu die Sophisten und Scholastici anders leren und beide, von der Erbsunde und von derselbigen straffe, der schrifft ungemes leren, da sie sagen, der mensch vermüge aus seinen krefften Gottes gebot zu halten, so wird doch die straffe, so Gott auff Adams kinder, auff die Erbsunde gelegt, im ersten buch Mosi viel anders beschrieben. Denn da wird die menschlich natur verurteilt, nicht allein zum tode und anderen leiplichem ubel, sondern dem reich des Teuffels unterworffen; denn da wird dis schrecklich urteil gefellet: „Ich will feinschafft zwischen dir und dem weib, zwischen ihrem samen und deinem samen setzen“ etc. Der mangel erster gerechtigkeit und die böse lust sind sund und straff. Der todt aber und die andern leiplichen ubel, die Tiranney und herschafft des Teuffels, sein eigentlich die straffe und pene der Erbsund. Denn die menschliche natur ist durch die Erbsunde unter des Teuffels gewalt dahingeben und ist also gefangen unter des Teuffels reich, wilcher manchen grossen weisen mensdchen inn der welt mit schrecklichem irthumb, ketzerey und ander blindheit beteubet und verfüret und sonst die menschen zu allerley laster dahinreisset.

Wie es aber nicht müglich ist, den listigen und gewaltigen geist Satan zu uberwinden one die hülffe Christi, also konnnen wir uns aus eigen krefften aus dem gefengnis auch nicht helffen. Es ist in allen Historien von anfang der welt zu sehen und zu finden, wie ein unsaglicher grosser gewalt das reich des Teuffels sey. Man sicht, das die welt vom höchsten bis zum niddersten vol Gotteslesterung, vol grosser irthumb, Gottloser lere widder Gott und sein wort ist. Inn den starcken fesseln und keten helt der Teuffel jemmerlich gefangen viel weiser leut, viel heuchler, die vor der welt heilig scheinen. Die andern füret er in ander grobe laster (geitz, hoffart etc). So uns nu Christus darümb geben ist, das er dieselbigen sunde und schwere straffe der sunde wegneme, die sunde, den tod, des Teuffels reich uns zugut uberwinde, kann niemands hertzlich sich freuen des grossen schatzes, niemands die uberschwenklichen reichthümer der gnaden erkennen, er füle denn vorerst dieselbig last, unser angeborn gros elend und jammer. Darümb haben unser prediger von dem nötigen Artikel mit allem hochsten fleis geleret und haben nichts neues geleret, sondern eitel klare wort der heiligen schrifft und gewisse sprüche der Veter, Augustini und der andern.

Dieses achten wir, solle die Keiserliche Maiestat ihr billich lassen gnug sein, widder das lose, kindisch, ungegründ furbringen der widdersacher, durch wilch sie der unsern Artikel one ursache gantz unbillich anfechten; denn sie singen, sagen, wieviel, was und wielange sie wollen, so wissen wir eigentlich das und sinds forwar gewis, das wir Christlich und recht leren und mit der gemeinen Christlichen Kirchen gleich stimmen und halten; werden sie darüber weiter mutwilligen zanck einfüren so sollen sie sehen, es sollen hie, will Got, leute nicht feilen, die ihnen antworten und die wahrheit dennoch erhalten.

Denn die widdersacher wissen das mehrer teil nicht, was sie reden; denn wie offte reden und schreiben sie ihnen selbs widderwertigs, verstehen auch ihr eigen Dialectica nicht vom „formal“ der Erbsunde, das ist, was eigentlich an ihrem wesen die Erbsunde sey odder nicht sey, was auch der mangel der ersten gerechtigkeit sey. An diesem orte aber haben wir nicht wollen von ihren zengkischen Disputacion subtiler odder weiter reden, sondern allein die sprüche und meinung der heilige Veter, wilchen wir auch gleichförmig leren, mit klaren, gemeinen, verstentlichen worten erzelen wollen.

Apologia der Confession verdeutscht aus dem Latin durch Justum Jonam: AC II (Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche hg.v Dingel u.a. i.A. der EKD (V&R: 2014. S.262+264+266)
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Pastor at the Old Latin School in the Lutherstadt Wittenberg
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