Von der Erbsünde (3)

“Adam und Eva mit Gott im Paradies” von Lucas Cranach d. Ä (1472-1553)

Wir sagen auch wol, das eusserlich erbar zu leben etlichermas inn unserm vermügen stehe, aber fur Gott from und heilig zu werden, ist nicht unsers vermügens.

Das sind die ursachen, warümb ich des ortes, als ich hab wöllen sagen, was die Erbsunde sey, der angeboren bösen lust gedacht habe und gesagt, das aus natürlichen krefften kein mensch vermag Gott zu förchten odder ihm zu vertrauen. Denn ich hab wöllen anzeigen, das die Erbsunde auch diesen jamer inn sich begreiffe, nemlich, das kein mensch Gott kennet odder achtet, keiner ihnen hertzlich fürchten odder lieben odder ihm vertrauen kan. Das sind die grösten stück der Erbseuche, durch welche wir alle aus Adam stracks widder Gott, widder Gott, widder die ersten Taffel Mosi und das gröste, höchste Götlich gebot gesinnet und geartet sind.

Und wir haben da nichts neues gesagt, die alten Scholastici, so man sie recht verstehet, haben gleich dasselbige gesagt. Denn sie sagen, die Erbsunde sey ein mangel der ersten reinigkeit und gerechtigkeit im Paradis. Was ist aber „iustitia originalis“ odder die erste gerechtigkeit im Paradis? Gerechtigkeit und heiligkeit inn der schrifft hest jhe nicht allein, wenn ich die ander Taffel Mosi halte, gute werck thu und dem nehisten diene, Sondern denjhenigen nennet die schrifft from, heilig und gerecht, der die ersten Tafel, der das erste gebot helt, das ist, der Gott von hertzen fürchtet, ihnen liebet und sich auff Gott verlesset.

Darümb ist Adams reinigkeit und unverrückt wesen nicht allein ein fein, volkomene gesundheit und allenthalben rein geblüt, unverterbte kreffte des leibs gewesen, wie sie davon reden, Sondern das gröst an solcher edeler erster creatur ist gewesen ein helles liecht im hertzen, Gott und sein werck zu kennen, ein rechte Gottesfurcht, ein recht hertzlich vertrauen gegen Gott und allenthalben ein rechtschaffen, gewisser verstand, ein fein, gut, frölich hertz gegen Gott und allen Göttlichen sachen. Und das bezeugt auch die heilige schrifft, da sie sagt, das der mensch nach Gottes bilde und gleichnis geschaffen sey. Denn was ist das anders denn das Göttliche weisheit und gerechtigkeit, die aus Gott ist, sich im menschen bildet? dadurch wir Gott erkennen, durch welche Gottes klarheit sich inn uns spiegelt, das ist, das dem menschen ersten, als er geschaffen, diese gaben gegen sein: recht, klar erkenntnis Gottes, rechte forcht, recht vertrauen und dergleichen.

Denn also legen auch solchs aus vom bilde und gleichnis Gottes Ireneus und Ambrosius, so er allerley auff die meinung redet, sagt unter andern: die seele ist nicht nach dem bilde Gottes geschaffen, inn welcher Gott allzeit ist; und Paulus zu den Ephesern und Colossern zeigt gnug an, das Gottes bilde inn der schrifft nicht anders heisse denn erkentnis Gottes und rechtschaffen wesen und gerechtigkeit fur Gott. Und Longodardus sagt frey heraus, das die erst geschaffene gerechtigkeit in Adam sey das bilde und die gleichnis Gottes, welcs an dem menschen von Gott gebildet ist. Ich erzele die meinung und sprüche der alten, wilche an der Auslegung Augustini, wie derselbige vom bilde Gottes redet, nichts hindern.

Darümb die alten, da sie sagen, was die Erbsunde sey, und sprechen, Es sey ein mangel der ersten angeschaffenen gerechtigkeit, Da ist ir meinung, das der mensch nicht allein am leib odder geringsten, nidersten krefften verterbet sey, sondern das er auch dadurch verloren habe diese gaben: recht erkentnis Gottes, rechte liebe und vertrauen gegen Gott und die krafft, das liecht im hertzen, so ihm zu dem allen liebe und lust macht. Denn die Scholastici odder Theologen selbst inn schulen leren, das dieselbige angeborne gerechtigkeit uns nicht müglich were gewesen one sonderliche gaben und one hülffe der gnaden. Und dieselbigen gaben nennen wir Göttesforcht, Gotteserkentnis und vertrauen gegen Gott, damit, das man es verstehen müge. Aus diesem allem erscheinet gnugsam, das die alten, da sie sagen, was die Erbsunde sey, gleich mit uns stimmen und auch ihr meinung ist, das wir durch die Erbsunde inn den jamer komen geborn, das wir kein gut hertz, welchs Gott recht liebet, gegen Gott haben, nicht allein kein rein guttes werck zu thun odder volbringen vermügen.

Gleich dasselbig meinet auch Augustinus, da er auch will sagen, was die Erbsunde sey, und pflegt die Erbsunde ein böse lust zu nennen, denn er will anzeigen, das nach Adams falle anstat der gerechtickkeit böse lust uns angeborn wird. Denn von dem falle an, dieweil wir, als von art sundlich geborn, Gott nicht fürchten, lieben noch im vertrauen, so thun wir nichts anders, denn das wir uns auff uns selbst verlassen, verachten Gott oder erschrecken und flihen von Gott. Und also ist inn Augustinus worten auch die meinung gefasset und begriffen derjhenigen, die da sagen, die Erbsunde sey ein mangel der ersten gerechtigkeit, das ist die böse lust, welche anstad derselbigen gerechtigkeit uns anhengt. Und ist die böse lust nicht allein ein verterbung odder verrückung der ersten reinen leibsgesundheit Adams im Paradis, sondern auch ein böse lust und neigung, da wir nach den allerbesten, höchsten krefften und liecht der vernunfft dennoch fleischlich widder Gott geneigt und gesynnet sind. Und diejhenigen wissen nicht, was sie sagen, die da leren, der mensch vermüg aus seinen krefften, Gott uber alles zu lieben, und müssen doch zugleich bekennen, es bleibe, solange dis leben were, noch böse lust, sofern sie vom heiligen geist nicht gentzlich getödtet ist.

Apologia der Confession verdeutscht aus dem Latin durch Justum Jonam: AC II (Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche hg.v Dingel u.a. i.A. der EKD (V&R: 2014. S.252+254)
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About Wilhelm Weber

Pastor at the Old Latin School in the Lutherstadt Wittenberg
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