Von der Erbsunde

Adam und Eva werden aus dem Paradies vertrieben. Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, 16Jhd.

Den andern Artikel, von der Erbsunde, lassen ihnen auch die widdersacher gefallen, doch fechten sie an, als haben wirs nicht recht troffen, da wir gesagt, was die Erbsunde sey, so wir doch zufellig allein des orts davon gered. Da wird alsbald im eingang die Keiserliche maiestat befinden, das unser widderwertigen inn dieser hochwichtigen sachen offte gar nichts mercken noch verstehen, widerümb auch offte unser wort böslich und mit fleis uns verkeren oder jhe zu misverstand deuten. Denn so wir auffs allereinfeltigest und klerest davon geredet, was die Erbsunde sey odder nicht sey, so haben sie aus eitel gifft und bitterkeit die wort, so an ihnen selbs recht und schlecht geredt, mit fleis ubel und unrecht deutet. Denn also sagen sie: ihr sprecht, die Erbsunde sey dieses, das uns ein solch syn und hertz angeboren ist, darinnen kein forcht Gottes, kein vertrauen gegen Gott ist, das ist jhe ein wirchlich schuld und selbst ein werck oder actualis culpa; darümb ists nicht Erbsunde.

Es ist leichtlich zu mercken und abzunemen, das solch cavillatio (spitzfindiges Gerede) von Theologen, nicht von des Keisers Radt herkömt. Wiewol wir nu solche neidische, geferliche, mutwilliche deutungen wol wissen zu verlegen, doch das alle redliche und erbare leute verstehen mügen, das wir in dieser sache nichts ungeschickts leren, so bitten wir, sie wollen unser vorig deudsch Confession, so zu Augspurgk uberantwortet, ansehen; die wird gnug anzeigen, wie wir nichts neues odder ungehörtes leren; denn inn derselbigen ist also geschrieben:

“Weitter wird geleret, das nach dem fall Adae alle menschen, so natürlich geborn werden, inn sunden entpfangen und geboren werden, das ist, das sie alle von mutterleibe an vol böser lust und neigung sind, keine ware Gottesforcht, keinen waren glauben an Gott von natur haben können”

CAII o.S. 94,17-96-1.

Inn diesem erscheinet gnug, das wir von allen, so aus fleisch geboren sind, sagen, das sie untüchtig sind zu allen Gottessachen, Gott nicht hertzlich fürchten, ihme nicht glauben noch vertrauen können. Da reden wir von angeborner böser art des hertzen, nicht allein von actuale culpa odder von wircklicher schuld und sunden, denn wir sagen, das inn allen Adamskiindern ein bös neigung und lust sey und das niemands ihme selbs ein hertz könne odder vermüge zu machen, das Gott erkenne odder Gott hertzlich vertraue, hertzlich fürchte. Ich wolt doch gern hören, was sie da schelten wollen oder möchten. Denn frome redliche leute, den die warheit lieb, sehen on allen zweifel, das dieses recht und war ist; denn auff die meinung sagen wir inn unser Latinischen bekentnis, das inn einem natürlichen menschen nicht potentia, das ist nicht so viel tügens, vormügens sey – auch nicht an unschuldigen kindlin, wilche auch aus Adam untüchtig sein -, immer hertzlich Gott zu förchten und hertzlich Gott zu lieben. In den alten aber und erwachsenen sind noch uber die angeborn böse art des herzens auch noch actus und wirckliche sunde. Darümb, wenn wir angeborn böse lust nennen, meinen wir nicht allein die actus, böse werck oder frucht, sondern inwendig die böse neigung, welche nicht auffhöret, solang wir nicht neu geboren werden durch geist und glauben.

Aber darnach wollen wir mit mehr worten anzeigen, das wir von der Erbsunde, nemlich, was dieselbig sey odder nicht, auch auff geübte, alte weise der Scholasticen und nicht so ungewönlich gered haben. Ich mus aber erst anzeigen, aus was ursachen ich an dem ort fornemlich solcher und nicht ander wort habe brauchen wollen. Die widdersacher selbst reden also davon in ihren schulen und bekennen , das die materien odder materiale der Erbsunde sey böse lust. Darümb, so ich habe wollen sagen, was Erbsunde sey, ist das nicht zu ubergehen gewest, sonderlich dieser zeit, da etliche von derselbigen angeborn bösen lust mehr Heidnisch aus der Philosophy denn nach dem Göttlichen wort oder nach der heiligen schrifft reden. Denn etliche reden also davon, das die Erbsunde an der menschlichen natur nicht sey ein angeborne böse art, sondern allein ein gebrechen und auffgelegte last odder bürde, die alle Adamskinder umb frembder sunde willen, nemlich Adams sunde halben, tragen müssen und darümb alle sterblich sein, nicht das sie selbst alle von art und aus mutterleib sunde ererbeten.

Apologia der Confession verdeutscht aus dem Latin durch Justum Jonam: AC II (Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche hg.v Dingel u.a. i.A. der EKD (V&R: 2014. S.244+246+248)

About Wilhelm Weber

Pastor at the Old Latin School in the Lutherstadt Wittenberg
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