Merkt auf, ihr Himmel, ich will reden, und die Erde höre die Rede meines Mundes. 2 Meine Lehre rinne wie der Regen, und meine Rede riesele wie Tau, wie der Regen auf das Gras und wie die Tropfen auf das Kraut. 3 Denn ich will den Namen des HERRN preisen. Gebt unserm Gott allein die Ehre! 4 Er ist der Fels. Seine Werke sind vollkommen; denn alle seine Wege sind recht. Treu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und wahrhaftig ist er. 5 Das verkehrte und böse Geschlecht hat gesündigt wider ihn; sie sind Schandflecken und nicht seine Kinder. 6 Dankst du so dem HERRN, deinem Gott, du tolles und törichtes Volk? Ist er nicht dein Vater und dein Herr? Ist’s nicht er allein, der dich gemacht und bereitet hat? 7 Gedenke der vorigen Zeiten und hab acht auf die Jahre von Geschlecht zu Geschlecht. Frage deinen Vater, der wird dir’s verkünden, deine Ältesten, die werden dir’s sagen. 8 Als der Höchste den Völkern Land zuteilte und der Menschen Kinder voneinander schied, da setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israels[1]. 9 Denn des HERRN Teil ist sein Volk, Jakob ist sein Erbe. 10 Er fand ihn in der Steppe, in der Wüste, im Geheul der Wildnis. Er umfing ihn und hatte acht auf ihn. Er behütete ihn wie seinen Augapfel. 11 Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, so breitete er seine Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln. 12 Der HERR allein leitete ihn, und kein fremder Gott war mit ihm. 13 Er ließ ihn einherfahren über die Höhen der Erde und nährte ihn mit den Früchten des Feldes und ließ ihn Honig saugen aus dem Felsen und Öl aus hartem Gestein, 14 Butter von den Kühen und Milch von den Schafen samt dem Fett von den Lämmern, feiste Widder und Böcke und das Beste vom Weizen und tränkte ihn mit edlem Traubenblut. 15 Als aber Jeschurun fett ward, wurde er übermütig. Er ist fett und dick und feist geworden und hat den Gott verworfen, der ihn gemacht hat. Er hat den Fels seines Heils gering geachtet 16 und hat ihn zur Eifersucht gereizt durch fremde Götter; durch Gräuel hat er ihn erzürnt. 17 Sie haben Geistern geopfert, die keine Gottheiten sind, Göttern, die sie nicht kannten, neuen, die vor Kurzem erst aufgekommen sind, die eure Väter nicht geehrt haben. 18 Den Fels, der dich gezeugt hat, hast du außer Acht gelassen und hast vergessen den Gott, der dich geboren hat. 19 Und als es der HERR sah, ward er zornig über seine Söhne und Töchter, 20 und er sprach: Ich will mein Antlitz vor ihnen verbergen, will sehen, was ihnen zuletzt widerfahren wird; denn es ist ein verkehrtes Geschlecht, es sind untreue Kinder. 21 Sie haben mich gereizt durch einen Nicht-Gott, durch ihre Abgötterei haben sie mich erzürnt. Ich aber will sie wieder reizen durch ein Nicht-Volk, durch ein gottloses Volk will ich sie erzürnen. 22 Denn ein Feuer ist entbrannt durch meinen Zorn und wird brennen bis in die unterste Tiefe und wird verzehren das Land mit seinem Gewächs und wird anzünden die Grundfesten der Berge. 23 Ich will alles Unglück über sie häufen, ich will alle meine Pfeile auf sie schießen. 24 Vor Hunger sollen sie verschmachten und verzehrt werden vom Fieber und von jähem Tod. Ich will der Tiere Zähne unter sie schicken und der Schlangen Gift. 25 Draußen wird das Schwert ihre Kinder rauben und drinnen der Schrecken den jungen Mann wie das Mädchen, den Säugling wie den Greis. 26 Ich hätte gesagt: Es soll aus sein mit ihnen, ich will ihren Namen tilgen unter den Menschen –, 27 wenn ich nicht den Spott der Feinde gescheut hätte; ihre Widersacher hätten es nicht erkannt und gesagt: Unsere Macht ist groß, und nicht der HERR hat dies alles getan. 28 Denn Israel ist ein Volk, dem man nicht mehr raten kann, und kein Verstand wohnt in ihnen. 29 O dass sie weise wären und dies verstünden, dass sie merkten, was ihnen hernach begegnen wird! 30 Wie geht’s zu, dass einer tausend verjagt und zwei sogar zehntausend flüchtig machen? Kommt’s nicht daher, dass ihr Fels sie verkauft hat und der HERR sie dahingegeben hat? 31 Denn unserer Feinde Fels ist nicht wie unser Fels; so müssen sie selber urteilen. 32 Denn ihr Weinstock stammt von Sodoms Weinstock und von dem Weinberg Gomorras; ihre Trauben sind Gift, sie haben bittere Beeren, 33 ihr Wein ist Drachengift und verderbliches Gift der Ottern. 34 Ist dies nicht bei mir verwahrt und versiegelt in meinen Schatzkammern? 35 Die Rache ist mein, ich will vergelten zur Zeit, da ihr Fuß gleitet; denn die Zeit ihres Unglücks ist nahe, und was über sie kommen soll, eilt herzu. 36 Denn der HERR wird seinem Volk Recht schaffen, und über seine Knechte wird er sich erbarmen. Denn er wird sehen, dass ihre Macht dahin ist und es aus ist mit ihnen ganz und gar. 37 Und er wird sagen: Wo sind ihre Götter, ihr Fels, auf den sie trauten, 38 die das Fett ihrer Schlachtopfer essen sollten und trinken den Wein ihrer Trankopfer? Lasst sie aufstehen und euch helfen und euch schützen! 39 Sehet nun, dass ich’s allein bin und ist kein Gott neben mir! Ich kann töten und lebendig machen, ich kann schlagen und kann heilen, und niemand kann aus meiner Hand reißen. 40 Denn ich will meine Hand zum Himmel heben und will sagen: So wahr ich ewig lebe: 41 Wenn ich mein blitzendes Schwert schärfe und meine Hand zur Strafe greift, so will ich mich rächen an meinen Feinden und denen, die mich hassen, vergelten. 42 Ich will meine Pfeile mit Blut trunken machen, und mein Schwert soll Fleisch fressen, mit Blut von Erschlagenen und Gefangenen, vom Haupt der Fürsten des Feindes. 43 Preiset, ihr Heiden, sein Volk; denn er wird das Blut seiner Knechte rächen und wird an seinen Feinden Rache nehmen und entsühnen das Land seines Volks!
Deuteronomium (5. Mose) 32,1-43 verdeutscht von Dr. Martin Luther (Revision 2017)
Des Morgens, wenn Du aufstehst, kannst Du Dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und sagen:
Das walte Gott Vater + Sohn und Heiliger Geist! Amen
Apostolische Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist von dem Heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel; sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen.
Vaterunser
Vater unser im Himmel Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen (Luthers Morgensegen)
Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, daß Dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde.
Als dann mit Freuden an Dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen oder was Dir Deine Andacht eingibt.
Kollekte für Jubilate.
Du Gott, himmlischer Vater, Deine Schöpfung singt Dir ihr Loblied – die Vögel des Himmels, die Tiere auf den Feldern und in den Wäldern. Bäume, Sträucher und Blumen – sie werfen Dir ihre Blütenpracht entgegen. Dein Geist wecke unsere Sinne und unsere Seele, damit wir dich loben und preisen. Deinem Sohn, Jesus Christus, auferstanden von den Toten, gehört unsere Zukunft. Amen.
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
1.Korinther 5,17
Lied aus dem lutherischen Kirchengesangbuch
O gläubig Herz, gebenedei und gib Lob deinem Herren! Gedenk, dass er dein Vater sei, den du allzeit sollst ehren, dieweil du keine Stund ohn ihn mit aller Sorg in deinem Sinn dein Leben kannst ernähren.
Er ist’s, der dich von Herzen liebt und sein Gut mit dir teilet, dir deine Missetat vergibt und deine Wunden heilet, dich waffnet zum geistlichen Krieg dass dir der Feind nicht obenlieg und deinen Schatz zerteile.
Er ist barmherzig und sehr gut den Armen und Elenden, die sich von allem Übermut zu seiner Wahrheit wenden; er nimmt sie als ein Vater auf und gibt, dass sie den rechten Lauf zur Seligkeit vollenden.
Wie sich ein treuer Vater neigt und Guts tut seinen Kindern, also hat sich auch Gott erzeigt allzeit uns armen Sündern; er hat uns lieb und ist uns hold, vergibt uns gnädig alle Schuld, macht uns zu Uberwindern.
Er gibt uns seinen guten Geist, erneuet unsre Herzen, dass wir vollbringen, was er heißt, ob’s auch das Fleisch mag schmerzen. Er hilft uns hier mit Gnad und Heil, verheißt uns auch ein herrlich Teil von den ewigen Schätzen.
Nach unsrer Ungerechtigkeit hat er uns nicht vergolten, sondern erzeigt Barmherzigkeit, da wir verderben sollten. Mit seiner Gnad und Gütigkeit ist uns und allen er bereit, die ihm von Herzen hulden.
Was er nun angefangen hat, das will er auch vollenden; nur geben wir uns seiner Gnad, opfern uns seinen Händen und tun daneben unsern Fleiß, hoffend, er werd zu seinem Preis all unsern Wandel wenden.
O Vater, steh uns gnädig bei, weil wir sind im Elende, dass unser Tun aufrichtig sei und nehm ein löblich Ende; o leucht uns mit deim hellen Wort, dass uns an diesem dunklen Ort kein falscher Schein ver-blende.
O Gott, nimm an zu Lob und Dank, was wir einfältig singen, und gib dein Wort mit freiem Klang, lass’s durch die Herzen dringen. O hilf, dass wir mit deiner Kraft durch recht geistliche Ritterschaft des Lebens Kron erringen.
Michael Weiße 1531 (LKG 314)
Fortlaufende Lese
Denn siehe, in jenen Tagen und zur selben Zeit, da ich das Geschick Judas und Jerusalems wenden werde, 2 will ich alle Völker zusammenbringen und will sie ins Tal Joschafat hinabführen und will dort mit ihnen rechten wegen meines Volks und meines Erbteils Israel, weil sie es unter die Völker zerstreut und sich mein Land geteilt haben; 3 sie haben das Los um mein Volk geworfen und haben Knaben für eine Hure hingegeben und Mädchen für Wein verkauft und vertrunken. 4 Und ihr, Tyrus und Sidon und alle Gebiete der Philister, was habt ihr mit mir zu tun? Wollt ihr mir’s heimzahlen oder mir etwas antun? Eilends und bald lasse ich euer Tun zurückfallen auf euren Kopf, 5 die ihr mein Silber und Gold genommen und meine schönen Kleinode in eure Tempel gebracht habt. 6 Dazu habt ihr die Judäer und die Leute von Jerusalem an die Griechen verkauft, um sie weit weg von ihrem Lande zu bringen. 7 Siehe, ich will sie kommen lassen aus dem Ort, wohin ihr sie verkauft habt, und will’s euch heimzahlen auf euren Kopf 8 und will nun eure Söhne und eure Töchter verkaufen in die Hand der Judäer; die sollen sie an die Sabäer, ein Volk in fernen Landen, verkaufen; denn der HERR hat’s geredet. 9 Ruft dies aus unter den Völkern! Heiligt euch zum Krieg! Bietet die Starken auf! Lasst herzukommen und hinaufziehen alle Kriegsleute! 10 Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße! Der Schwache spreche: Ich bin stark! 11 Eilt und kommt, alle Völker ringsum, und versammelt euch! – Dorthin führe du hinab, HERR, deine Starken! – 12 Die Völker sollen sich aufmachen und heraufkommen zum Tal Joschafat; denn dort will ich sitzen und richten alle Völker ringsum. 13 Greift zur Sichel, denn die Ernte ist reif! Kommt und tretet, denn die Kelter ist voll, die Kufen laufen über, denn ihre Bosheit ist groß! 14 Es werden Scharen über Scharen von Menschen sein im Tal der Entscheidung; denn des HERRN Tag ist nahe im Tal der Entscheidung. 15 Sonne und Mond werden sich verfinstern und die Sterne ihren Schein zurückhalten. 16 Und der HERR wird aus Zion brüllen und aus Jerusalem seine Stimme hören lassen, dass Himmel und Erde erbeben werden. Aber seinem Volk wird der HERR eine Zuflucht sein und eine Burg den Israeliten. 17 Und ihr sollt’s erfahren, dass ich, der HERR, euer Gott bin und zu Zion auf meinem heiligen Berge wohne. Dann wird Jerusalem heilig sein, und kein Fremder wird mehr hindurchziehen. 18 Zur selben Zeit werden die Berge von Most triefen und die Hügel von Milch fließen, und alle Bäche in Juda werden voll Wasser sein. Und es wird eine Quelle ausgehen vom Hause des HERRN, die wird das Tal Schittim bewässern. 19 Aber Ägypten soll wüst werden und Edom eine wüste Einöde um des Frevels willen an den Judäern, weil sie unschuldiges Blut in ihrem Lande vergossen haben. 20 Aber Juda soll für immer bewohnt werden und Jerusalem für und für. 21 Und ich will ihr Blut nicht ungesühnt lassen. Und der HERR wird wohnen zu Zion.
Joel 4,1-21
Morgenlese
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker[1] sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.
Offenbarung des hl. Sankt Johannes 21,1-7
Abendlese
Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Leben und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. 19 Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. 20 Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es mit Vernunft wahrnimmt, an seinen Werken ersehen. Darum haben sie keine Entschuldigung. 21 Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. 22 Die sich für Weise hielten, sind zu Narren geworden 23 und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit einem Bild gleich dem eines vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriechenden Tiere. 24 Darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben in die Unreinheit, sodass sie ihre Leiber selbst entehren. 25 Sie haben Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt und das Geschöpf verehrt und ihm gedient statt dem Schöpfer, der gelobt ist in Ewigkeit. Amen. 26 Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften;
Römer 1,18-26a
Bekenntnislese
Darum sollten wir uns klar darüber sein, dass niemand den Auftrag hat, seinen Nächsten öffentlich zu verurteilen und zu strafen, auch wenn er ihn sündigen sieht, es sei denn, er ist dazu beauftragt, zu richten und zu strafen. Denn es ist ein großer Unterschied zwischen Sünde richten und um Sünde wissen. Du magst um sie wissen, aber richten sollst du nicht. Diese Untugend sollen wir meiden. Sehen und hören, dass mein Nachbar sündigt, ist mir nicht verwehrt, aber ihn bei andern ins Gerede zu bringen, dazu habe ich keinen Auftrag. Wenn ich eingreife, richte und verurteile, so falle ich in eine Sünde, die größer ist als jene. Weißt du aber um die Sünde des andern, so mache aus deinen Ohren ein Grab und verscharre sie darin, solange bis du den Auftrag erhältst, Richter zu sein und von Amts wegen zu strafen. Das nennt man nun üble Nachrede, wenn Menschen es bei dem Wissen um die Sünde des andern nicht bleiben lassen, sondern hingehen und dem Urteil vorgreifen und, wenn sie etwas von dem andern wissen, es in alle Winkel tragen und eine Freude daran finden, im Schmutz eines andern zu wühlen wie eine Sau, die sich im Dreck wälzt und mit ihrem Rüssel darin herumwühlt.
Das heißt nichts anderes als in Gottes Gericht und Amt greifen und mit dem schärfsten Urteil zu verurteilen und zu strafen. Denn kein Richter kann eine höhere Strafe verhängen als wenn er sagt: Dieser ist ein Dieb, ein Mörder, ein Verräter usf. Wer sich darum untersteht, solches vom Nächsten zu behaupten, maßt sich das Amt an, das Kaiser und Staat innehaben. Denn auch wenn du das Schwert nicht führst, so gebrauchst du doch eine giftige Zunge, um dem Nächsten zu schaden und ihn in Schande zu bringen. Darum will Gott verhindert haben, dass einer dem andern übel nachredet, auch wenn jener einer Sache schuldig ist und der andere es genau weiß. Noch viel weniger soll üble Nachrede dann geschehen, wenn einer von einer Sache nur vom Hörensagen vernommen hat und nichts Genaues weiß.
Sagst du aber: Soll ichs denn nicht sagen, wenn es die Wahrheit ist? Antwort: Warum bringst du es dann nicht vor den ordentlichen Richter? Ja, ich kann es nicht öffentlich bezeugen. Man möchte mir vielleicht über den Mund fahren und mich schändlich abweisen. Ja, mein Lieber, riechst du den Braten? Merkst du etwas? Wenn du dich nicht traust, vor den dazu verordneten Personen zu stehen und eine Sache zu verantworten, dann halte den Mund. Weißt du aber um eine Sache, so behalte dein Wissen für dich und gib es nicht andern weiter. Denn wenn du es weitersagst, auch wenn es wahr ist, so stehst du doch wie ein Lügner da, weil du es nicht beweisen kannst, und handelst dazu noch wie ein Bösewicht. Denn man soll niemand um seine Ehre und seinen guten Ruf bringen, es sei denn, ihm sei schon zuvor öffentlich Ehre und Ruf genommen. So ist nun mit „falschem Zeugnis“ alle üble Nachrede gemeint, die man ordentlicherweise nicht beweisen kann. Darum soll niemand etwas offenbar machen und als Wahrheit aussprechen, was nicht eindeutig bewiesen und offenbar ist.
Kurz, was verborgen ist, soll man verborgen bleiben lassen oder im Verborgenen strafen, wie wir noch hören werden. Wo dir darum ein loser Mund begegnet, der einen andern ins Gerede bringt und verleumdet, da rede ihm tüchtig ins Gewissen, damit er schamrot werde. So wird mancher seinen Mund halten, der sonst einen armen Menschen ins Gerede bringt, aus dem er schwer wieder herauskommen kann. Denn Ehre und guter Name sind schnell weggenommen, aber langsam wiedergegeben. So siehst du, dass es ganz und gar verboten ist, über den Nächsten etwas Böses zu reden. Doch sind hier die weltliche Obrigkeit, die Prediger, Vater und Mutter ausgenommen, insofern sie das Böse nicht ungestraft lassen sollen. Es verhält sich hier ähnlich wie beim 5. Gebot: Niemand soll dem Nächsten am Leibe Schaden zufügen, doch ist der Henker hiervon ausgenommen; denn sein Amt ist es, dem Nächsten nicht Gutes, sondern nur Schaden und Böses zu tun. Dennoch sündigt er nicht gegen das 5. Gebot, weil Gott selber dieses Amt um seiner selbst willen geordnet hat; denn Gott hat sich das Strafen nach seinem Belieben vorbehalten, wie er im 1. Gebot androht. Darum gilt auch hier (beim 8. Gebot): Niemand soll für seine Person irgend jemand richten und verurteilen. Doch wo es diejenigen nicht tun, denen es anbefohlen ist, sündigen sie ebensosehr wie jene, die es – ohne dazu beauftragt zu sein – von sich aus tun. Denn notwendig ist es, dass man von dem Bösen redet, dass angeklagt und gefragt, ausgesagt und Zeugnis abgelegt wird.
Und es geht hier nicht anders zu als bei einem Arzt, der zuweilen denjenigen, den er heilen soll, auch an Stellen untersuchen und berühren muss, die man sonst nicht zeigt. So sind auch der Staat, Väter und Mütter, ja auch Brüder und Schwestern und sonst gute Freunde untereinander es schuldig, Böses zu strafen, wo es nötig und nützlich ist. Das wäre aber die richtige Weise, wenn man sich nach der Ordnung des Evangeliums in Matthäus 18,15-16 richten würde, wo Christus spricht: „Sündigt aber dein Bruder an dir, so halte es ihm vor zwischen dir und ihm allein.“
Da hast du eine köstliche, feine Anweisung, um die Zunge recht zu regieren, eine Anweisung, die man sich gut merken sollte, um dem leidigen Missbrauch zu wehren. Danach richte dich nun, bringe nicht sogleich den Nächsten bei andern ins Gerede, sondern ermahne ihn unter vier Augen, dass er sich bessern soll. Ebenso auch, wenn dir ein anderer etwas zu Ohren bringt, was dieser oder jener getan hat, dann sage ihm auch, dass er hingehen und es dem Betreffenden vorhalten soll, falls er das Böse gesehen hat, falls nicht, dass er den Mund halten soll. Das magst du auch an Beispielen des täglichen Lebens in Haus und Beruf lernen. Denn so macht es der Dienstherr: Wenn er sieht, dass der Angestellte nicht tut, was er soll, so redet er mit ihm selbst. Wenn er aber so töricht wäre und ließe den Angestellten an seinem Platze sitzen und ginge heraus auf die Straße, um es den Nachbarn zu klagen, würde er freilich hören müssen: Du Narr, was gehts uns an, warum sagst du es ihm selber nicht?
Sieh, das wäre recht brüderlich gehandelt, weil so dem Übel abgeholfen würde und dein Nächster in Ehren bliebe. So sagt es auch Christus an der genannten Stelle: „Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.“ Damit hast du eine große und vortreffliche Tat getan. Denn meinst du, dass es keine Kleinigkeit ist, einen Bruder zu gewinnen? Lass alle Mönche und heiligen Orden mit all ihren Taten, auch wenn man sie alle auf einen Haufen tun würde, herzutreten, ob sie den Ruhm beanspruchen können, auch nur einen Bruder gewonnen zu haben?